In den letzten drei Jahren wuchs der Markt an Powermetern beträchtlich. Zunächst waren es die bekannten Player SRM und Saris-Powertap, inzwischen sprechen wir von einem Dutzend konkurrierender Hersteller.
Mit der Infocrank-Leistungsmesskurbel ist der noch recht junge australische Hersteller Verve Cycling seit einigen Monaten nun auch am deutschen Markt vertreten. Nun könnte man meinen nur ein weiteres Powermeter-System neben SRM, Quarq, Power2Max und Co. vor sich zu haben, doch Verve Cycling beschreitet technologisch neue Pfade und sieht sich selbst als Anbieter der zur Zeit am exaktesten messenden Powermeter-Kurbel.
Sensorik der Verve Cycling Infocrank
Seit inzwischen Jahrzehnten ist das von SRM entwickelte Messprinzip über Dehnmessstreifen im Kurbelstern bekannt, die je nach Belastung und Verformung die Datenbasis für die Berechnung von Leistung in Watt liefern. Die Messung im Kurbelstern beantwortet auch gleich die Frage nach Balancewerten mit einem klaren Nein.
Verve wählte einen alternativen Weg und änderte dabei auch gleich die Messmethodik. Zwar ist auch in der Infocrank Leistungsmesskurbel eine Sensorik verbaut, diese liegt aber nicht im Kurbelstern, sondern vielmehr in beiden Kurbelarmen. Genaugenommen haben wir es also mit zwei Powermetern zu tun, einem Master und einem Slave – wobei der Master die Daten des Slave empfängt und an den Radcomputer weiterleitet.
Des Weiteren arbeitet die Infocrank nicht über einen Algorithmus der die Verformung von Dehnmessstreifen zur Berechnung heranzieht, sondern bedient sich dabei einerseits beim Ohm’schen Gesetz und andererseits der Wheatstone-Brücke – und das funktioniert so:
Die einzig für die Berechnung von Leistung interessante Kraft an einer Kurbel ist die Tangentialkraft – diese beschleunigt die Kurbel durch unsere Muskelkraft. Verve integriert statt Dehnmessstreifen zwei Wheatstone-Brücken an der Ober- und Unterseite um genau diese Kraft zu messen. Diese Position bietet sich für die Leistungsmessung besonders an, da genau hier auch die Kraft auftritt und die Messwerte nicht durch einen Lastpfad verfälscht wird. Bei der Wheatstone-Brücke handelt es sich um eine im Quadrat angeordnete Schaltung von vier Widerständen. An diese Widerstandsbrücke wird eine konstante Spannung angelegt und an deren Ende gemessen. Je nach auftretender Kraft auf der Brücke ändert sich durch Verformung der Widerstandsstreifen auch deren Ausrichtung und Widerstandswert, somit letztendlich der Messwert am Ende der Schaltung. Aus diesem Messwert kann die Infocrank sehr exakt die Leistung berechnen. Liegt keine Kraft an, ist der Messwert gleich Null – die Widerstände eliminieren die Spannung komplett. Seitlich auftretende Kräfte beeinflussen die Messung nicht.
Abweichende Messwerte und Drift
Ein Problem beschäftigt alle Hersteller von Powermetern: die Messwerte sind unter Laborbedingungen mit exakt gleichen Voraussetzungen bei den meisten Kurbeln sehr genau. Von SRM exisitiert sogar eine Version (SRM Science) für die wissenschaftliche Nutzung mit einer Genauigkeit von 0.05% und einer maximalen Belastung der Sensorik von bis zu 4000W. Allerdings beeinflussen externe Parameter wie z.B. die Temperatur oder Höhe den Messwert in Watt und stellen so, sagt Verve Cycling, die Genauigkeit einer jeden Kurbel vor arge Probleme, da sich diese nicht dynamisch an die veränderten Bedingungen anpasst.
Laut Bryan Taylor, CEO von Verve Cycling, war es während der Entwicklung der Infocrank das oberste Ziel den Powermeter mit einer Methodik auszustatten, die maximal exakte Messwerte liefern kann. Gemeinsam mit Spezialisten vom Australian Institute of Sport entwickelte und testete Verve Cycling über Jahre hinweg die Infocrank und ist heute davon überzeugt das genaueste System anbieten zu können.
Verve Cycling gibt die Genauigkeit seines Produkts mit ±1% bei normaler bis hoher Leistung an, geringfügige Leistungen sollen mit einer Genauigkeit von ±1,5-1,75% berechnet werden. Das ist nun an sich kein Wert der in einer Vergleichsliste mit anderen Powermetern besonders auffallen würde, denn ±1-2% können heute alle Fahrrad-Leistungsmesser aufweisen.
Verve Cycling betont aber, dass dieser Wert unter allen Bedingungen gilt – und zwar egal ob man von 2000 Metern Höhe bei 15°C in kurzer Zeit auf Normalnull bei 35°C abfährt. Die Infocrank ist frei von Drift-Problemen die von Tag zu Tag und unter wechselnden Bedingungen abweichende Messwerte bei gleicher Kraft anzeigen, so Taylor. Dabei muss die Kurbel nicht neu kalibriert werden, sondern nutzt für die Messwertkorrektur eine im Leistungsmesser hinterlegte Software.
Die Genauigkeit ist natürlich ein Argument das alle renommierten Hersteller gerne ins Feld führen – allen voran SRM. Verve Cycling glaubt jedoch sich mit seinem Messsystem duch überlegene Technik von den Mitbewerbern absetzen zu können.
Integration und Stromversorgung
Die gesamte Konstruktion der Infocrank basiert auf einem integrierten Design aus geschmiedeten Alu-Kurbeln, die jeweils an der Innenseite mit der Sende- und Messelelektronik ausgestattet sind und auf der Außenseite je zwei voll versenkte Einsätze für Knopfzellen haben. Die Batterielaufzeit gibt Verve mit 500 Betriebsstunden an und der Austausch erfolgt mit einem kleinen Inbusschlüssel durch den Nutzer der Kurbel. Über der Verschraubung ist eine kleine Leuchtdiode verbaut, die im Betrieb blinkt.
ANT+ und Radcomputer
Wer heute noch Geräte mit Funkstandards jenseits von ANT+ oder Bluetooth anbietet, muss ein unerschütterliches Vertrauen in seine Philosophie haben oder kämpft demnächst mit einem Problem. Verve Cycling lässt sich auf solche Spielereien nicht ein und nutzt den am weitesten vertretenen Standard ANT+ für die Infocrank. Damit ist der Powermeter aus Australien kompatibel zu einer großen Zahl von Radcomputern mit Leistungsanzeige. Zum Start der Infocrank im Sommer 2014 hat sich Verve Cycling mit Radcomputer-Hersteller O-Synce zusammen getan und legt der Kurbel einen O-Synce Navi2Coach im Wert von 219 Euro bei.
Versionen der Infocrank
Zur Zeit ist die Infocrank mit Kompakt-Antrieb 50/34 oder Standard 52/36 (beide im 110er Lochkreis) bestellbar. Die Kurbellänge ist zwischen 170, 172.5 und 175mm frei wählbar.
Schwieriger wird es beim Thema Innenlager: BB30, OSBB, PressFit30 oder BSA sind als Lagertypen verfügbar. Fahrer anderer Systeme wie zum Beispiel BB90, BB86, BB6000 oder auch BB8000 (beide FSA) werden bisher nicht berücksichtigt. Das schränkt den Käuferkreis doch erheblich ein. Ob die Infocrank am eigenen Rad verbaut werden kann, lässt sich mit Hilfe des Kundendienstes und einer Kompatibilitätsliste schnell herausfinden. Viele Tretlager lassen ich auch mit Adaptern nachrüsten.
Zubehör
Der Lieferumfang der Kurbel ist recht umfangreich und bietet ein ganzes Arsenal an Kleinteilen. So finden wir neben der Kurbel auch die ausgewählten Kettenblätter von PraxisWorks für Standard und Kompakt in einem extra Karton, die zunächst mit einem entsprechenden Schraubendreher installiert werden. Die kaltgeschmiedeten Kettenblätter der US-Firma genießen einen hervorragenden Ruf bei vielen Rennrad-Enthusiasten und bieten sehr weiche Schaltübergänge und eine hohe Verschleißfestigkeit.
Kadenz wird über Magnetkontakte am Tretlager oder an Achsringen abgenommen. Beides ist im Preis inbegriffen. Aus rein optischer Sicht sind beide Lösungen nicht ganz so schick, ein integriertes Gyroskop wäre sicher eine elegantere Lösung gewesen. Montagematerial ist beigelegt.
Damit die Datenflut nicht nur an den Radcomputer gelangt, aber auch um Firmware-Updates aufzuspielen, liegt der Infocrank ein Mini-USB-Stecker mit ANT+ Sende- und Empfangseinheit bei. So kann man zum Beispiel auch auf der Rolle Leistung abnehmen und über entsprechende Trainingsprogramme auf einem Rechner visualisieren.
Mit dem Radcomputer O-Synce Navi2Coach lassen sich alle Daten der Infocrank frei nach Wunsch auf diversen Seiten des Displays frei darstellen. Der Radcomputer kann ferner einige Daten des Leistungsmessers wie Firmware-Version, Batteriestatus oder Seriennummer auslesen und anzeigen.
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