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Werkstatt & Material

Integration – Fluch oder Segen?

Nur weil etwas leichter aussieht, muss es das nicht zwingend sein.

Nimmt man eine elektronische Di2-Gruppe in Betrieb, muss man mehr Teile montieren, als bei einer mechanischen Gruppe. Dennoch ist die Installation keine große Sache. Komplizierter wird es, wenn eine interne Kabelführung mit ins Spiel kommt. Dieses Unterfangen kann bei verschiedenen Rahmensets eine echte Herausforderung werden. Immer mehr Hersteller schreiben das Thema „Integration“ groß und versuchen es an ihren Produkten umzusetzen. So schön Fortschritt auch sein mag, er macht das Leben nicht immer leichter.

Grundsätzlich sollte das Schrauben an einem Bike nicht zu kompliziert sein. Unabhängig davon, welche Gruppe man an seinem Rennrad montieren möchte, gehört das Schaltwerk an die entsprechende Aufhängung, der Umwerfer an das Sitzrohr, die Schalthebel an den Lenker und die Aufgabe der Bremsen ist es, die Laufräder zum Stillstand zu bringen. Wenn man einmal etwas verpatzt, sollte man darauf achten, dass es auf keinen Fall die Bremsen betrifft. Deren Funktionsfähigkeit sollte man lieber zwei Mal kontrollieren, um später keine bösen Überraschungen zu erleben. Vergisst man nach einer Reparatur oder einer Wartung beispielsweise die Vorderbremse wieder einzuhängen, braucht man sich nicht wundern, wenn man nach einer Abfahrt plötzlich in eine Hecke oder etwas härteres brettert.

Integration – ein komplizierter Fortschritt

Fakt ist: Was an früheren Rennrädern noch recht einfach zu bewerkstelligen war, ist bei der neuen Generation von Bikes oft ein mühsames Unterfangen. Allgemein lassen sich bei einem Großteil neuer Rennräder zwei Dinge feststellen. Zum einen verfügen die neuesten Top-Aero-Bikes über ein beeindruckendes Setup. Das Scott Foil von 2016 gehört hier schon zu den weniger integrierten Vertretern, denn zwischen Vorbau und Unterrohr kann man die Kabel sehen. Bei anderen Maschinen, wie beispielsweise dem Specialized Venge ViAs oder dem Trek Madone 9 verlaufen die Kabel komplett versteckt, wodurch diese Bikes mit einem unglaublich aufgeräumten Äußeren beeindrucken. Auf der anderen Seite macht dieser Look aber auch einiges komplizierter.

Keine Wartung ohne Fachmann

Ist man kein Profi-Mechaniker, ist es nahezu unmöglich, alleine mit dem integrierten Lenkersystem und der Kabelführung des Trek Madone klarzukommen. Hier ist definitiv Hilfe vom Fachmann nötig, möchte man nicht früher oder später vor Verzweiflung in Tränen ausbrechen. Hat man allerdings jemanden zur Hand, der sich mit so etwas auskennt und zudem das nötige Kleingeld, um sich überhaupt ein Rennrad dieser Klasse nach Hause zu holen, kann man sich an einem optisch fantastischen Bike erfreuen.

Scott, Trek und Specialized haben beeindruckende Aero-Maschinen mit modernster Integration auf den Markt gebracht. Hier sieht man das Scott Foil. (Foto: Scott)

Eine geniale Sache am Radsport war es doch immer, die Möglichkeit zu haben, Reparaturen oder Wartungen in der heimischen Garage oder sogar der Wohnung durchführen zu können. Noch ist das beim Großteil der Bikes ja auch der Fall. Lediglich einige wenige Maschinen verfügen derzeit über eine wirklich ausgefuchste Integration und diese Bikes werden derzeit noch hauptsächlich von Profis gefahren, die Fachleute an ihrer Seite haben. Aber die Zeit schreitet voran. Wie lange wird es also noch dauern, bis die Komplexität der Integration auch Einzug in unseren Alltag hält? Fünf Jahre vielleicht? Denken wir ein paar Jahre zurück, waren interne Kabelführungen an erschwinglicheren Bikes überhaupt kein Thema. Heute bekommt man entsprechende Untersätze schon für um die 1.000 Euro. Darüber kann man sich auf der einen Seite natürlich freuen, muss man die Kabel bei der Ersteinrichtung eines Bikes allerdings selber verlegen, kann diese Freude auch schnell in Frustration umschlagen.

Integrierte Bremsen – es wird noch komplexer

Interne Kabelführungen können einem schon den letzten Nerv rauben, kommen dann aber auch noch integrierte Bremsen ins Spiel, wird die Sache richtig kompliziert. Nahezu alle integrierten Bremslösungen können bezüglich der Funktionalität nicht mit herkömmlichen Bremsen mithalten. Obwohl Aero-Bikes toll aussehen mögen und sich wie eine Rakete durch den Wind schneiden, so könnten die Bremsen für viele doch ein KO-Kriterium sein. Im Grunde grenzt es doch schon fast an Wahnsinn, ein Rennrad schneller und schneller zu machen und es dann mit weniger effizienten Bremsen auszustatten. Man fährt schneller, kommt aber langsamer zum Stehen. Wo ist da die Logik? Erschwerend hinzu kommen Blut, Schweiß und Tränen wenn es um das Einstellen der Bremsen geht.

Das Specialized Venge ViAS macht optisch einiges her. Muss man allerdings selber Hand anlegen, kann es einem recht schnell den Schweiß auf die Stirn und die Tränen in die Augen treiben.

 

Wir wollen hier aber auf keinen Fall vermitteln, dass moderne Rennräder mit Integration Schrott sind. Das sind sie nicht. Sie der Gipfel dessen, was Fahrradingenieure derzeit zu entwickeln im Stande sind. Das Problem bei dieser neuen Generation von Bikes ist auch nicht die Integration an sich, vielmehr ist es die Komplexität, die daher mit eingeht. Wenn man aber danach strebt, alles ins Innere eines Rahmens zu verlegen, sollte man die Kabelführung so einfach wie möglich gestalten. Idealerweise sollte sich das ganze ohne den Einsatz zahlreicher Spezialwerkzeuge bewerkstelligen lassen.

Möchte man sich Fortschritt – in diesem Fall ein Bike der neuen Generation – nach Hause holen, muss man immer auch den ein oder anderen Kompromiss eingehen. Dennoch sollte man darauf achten, zumindest die Wartung ohne große Probleme selber durchführen zu können. Wer sich für eine supermoderne Rennsemmel entscheidet, sollte einfach wissen, worauf er sich einlässt.

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