Wenn dieses Colnago C60 vor der Eisdiele parkt, ist eines ganz sicher: Menschenmengen vor dem Rad. Das Blitzlichtgewitter hatte das C60 im letzten Jahr, für 2015 wurde das V1-r gehyped. Trotzdem haben wir die Gelegenheit genutzt dieses aktuelle C60 im Airbrush-Design zu fahren.
In einer Zeit in der Schwarz und Weiß schwer angesagt sind und aufwändig lackierte Räder Seltenheitswert genießen, kommt dieses aufwändig lackierte Colnago C60 genau richtig um für Abwechslung zu sorgen. Die aktuellen Designs der Italia Edition stellen eine Hommage an die herrlich lackierten Rahmen früherer Zeiten dar.
Wer genau hinsieht, wird irgendwann merken kein einziges Decal (haudünne und mit Klarlack überzogene Aufkleber) am C60 zu finden. Das ist eine Besonderheit, die sich der inzwischen 82-jährige Firmengründer Ernesto Colnago bis heute leistet. Wer auf Lack setzt, hat die Konsequenzen in Sachen Produktion, Preis und Gewicht dafür zu zahlen. Aktuell schaffen die Lackierer in etwa 30 Rahmen pro Tag, was kein Problem ist da die Rahmenmanufaktur nur 17 Rahmen/Tag zur Verfügung stellen kann.
Der Rahmen des Colnago C60
Der C60-Rahmen wird bei Colnago im Tube-to-Tube-Verfahren mit sichtbaren Muffen hergestellt. Diese Herstellungsform wurde auch lange Zeit von Look praktiziert, heute scheinen gemuffte Verbindung zumindest optisch ein wenig aus der Mode geraten zu sein. Italo-Fans haben aber ein Herz für so liebevoll gestaltete Muffenstöße.
Alle Rohre sind vierkantig laminiert und werden im Werk in Cambiago mit den Muffen verklebt. Besonders belastete Bereiche erhalten eine Materialverstärkung, das bezieht sich beim C60 auf den Tretlager- und Steuerkopfbereich. Währenddessen ist bei den Kettenstreben mit mehr Volumen für hohe Steifigkeitswerte gesorgt worden.
Wie bei allen anderen Rennrädern der Oberklasse kann man das C60 mit elektronischer wie auch mechanischer Schaltung fahren. Allerdings sollte man sich das vorher überlegen. Es gibt eine Variante für beide Systeme wie bei unserem Testrad und eine spezielle Ausführung nur für elektronische Schaltungen. So ist das Frameset also mit Bedacht auszuwählen. Der Di2/EPS-Rahmen verfügt dann nicht mehr über den Zuganschlag an der rechten Kettenstrebe.
Colnago liefert übrigens keine Kompletträder, sondern nur Framesets, die beim Händler auf individuellen Kundenwunsch konfektioniert werden.
Eine weitere Besonderheit bietet Colnago bei den Rahmengrößen. Neun Rahmenhöhen zwischen 42 (das ist wirklich sehr klein!) und 60 bieten ein abfallendes Oberrohr. Für die Freunde der klassischen Geometrie mit geradem Oberrohr gibt es zusätzlich fünf weitere Rahmensets mit Größen zwischen 53 und 61 Zentimetern, die in Schritten von 2cm angeboten werden.
Unser 52er Sloping-Rahmen liegt bei etwas mehr als 1000g und ist damit ausreichend leichtgewichtig um daraus mit gut gefülltem Portemonnaie eine Rennmaschine nur etwas oberhalb der 6kg-Marke zu bauen. Den Wettkampf um die Leichtbaukrone liefern sich unterdessen andere Rahmen, die mit Gewichten zwischen 700 und 800g aufwarten können. Knapp darüber liegt auch der neue V1-r von Colnago.
Fahrer oberhalb von 90kg Gewicht sollten dies bei der Bestellung ihres Framesets angeben. In diesem Fall erhlt man nämlich ein gesondert verstärktes “Unikat”.
An dieser Stelle muss man Colnagos Konzept genauer erläutern, ansonsten entsteht der Eindruck eines neuen Rads mit veralteteter Technik. Es ist und war immer der Wunsch von Ernesto Colnago praxisnahe und reparaturfreundliche Rahmen zu bauen. Ein gebrochener Monocoque-Rahmen ist in der Regel reif für die Kellerwand oder Mülltonne. Bei einem gemufften Rahmen lässt sich das gebrochene Rohr hingegen absägen und die Reste mit einigen Aufwand wieder aus der Muffe herausschleifen. Danach kann ein neues Rohr eingesetzt und verklebt werden. Zusätzlich muss natürlich auch der Lackierer wieder ans Werk. Das ist nicht billig, aber allemal günstiger als ein neuer Rahmen.
Die Züge für Schaltwerk und Umwerfer an unserem für mechanische Schaltungen gedachten Rahmen werden dabei recht früh durch die Steuerrohrmuffe in das Unterrohr geleitet, im Falle des Schaltwerks verlässt der Zug am Tretlager aber wieder den Rahmen und wird klassisch an der Kettenstrebe und über einen Zuganschlag zum Schaltwerk geführt. Das wirkt ein wenig altbacken für ein Rad das erst im letzten Jahr präsentiert wurde.
Da auch das Sattelrohr am Colnago C60 als Vierkantrohr laminiert wurde, ist eine integrierte Umwerferbefestigung unumgänglich. Diese ist an vier Punkten fest mit dem Rahmen vernietet und nicht wechselbar. Auch hier hat der Lackierer Hand angelegt und diese fein säuberlich mitlackiert. Direkt darunter befindet sich der per Blindstopfen verschlossene Auslass für ein Kabel von Di2 oder EPS. Immerhin erlaubt so auch der Rahmen für mechanische Schaltungen die nachträgliche Installation einer elektronischen Komponente. Für das Schaltwerk muss das Kabel dann “oberirdisch” verlegt werden.
Unbedingt erwähnenswert ist auch die am C60-Rahmen etwas futuristisch anmutende aber technisch wie optisch gut passende Direct Mount Bremsaufnahme.
Der integrierte Lagersitz ThreadFit 82.5 ist ein Novum am C60 und fällt wesentlich raumgreifender aus als das alte Lager am C59. In dieser formschlüssig einlaminierten Gewindehülse lassen sich die üblichen BB86-PressFit Lager (oder auch andere) einsetzen und vor allem bei Defekt auch austauschen!
Durch die vermuffte Tretlagerverbindung und die großen Durchmesser war schon vor unserer Testfahrt glasklar, dass an dieser Stelle wohl nur wenig Beinkraft verpuffen wird.
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