Eine lange Firmenhistorie ist ein vermarktbares Konzept. Das hat jeder mit einem Funken Unternehmergeist schnell begriffen. Viele Kunden glauben ein Produkt zu kaufen, dass in vielen Generationen geformt wurde. Im Radsport können nicht viele Hersteller auf eine glorreiche Firmengeschichte zurückblicken. Wilier gehört aber definitiv dazu.
Vor über 100 Jahren wurde Wilier von Pietro Dal Molin in Bassano del Grappa gegründet. Das Unternehmen sitzt heute in Rossano Veneto und ist zu einem großen und modernen Hersteller herangewachsen. In der Region sind noch mehr hochkarätige Radsporthersteller vertreten. Darunter Campagnolo, Selle Italia und Pinarello.
Das Werk in Rossano Veneto bietet aber mehr als eine normale Fertigungshalle. Im Ausstellungsbereich von Wilier sind zahlreiche restaurierte Räder ausgestellt. Darunter auch die kupferfarbenen Stahl-Modelle, die lange Zeit Wiliers Markenzeichen waren. Eine Etage darüber finden wir etwas modernere Räder, die aber ebenso Geschichte geschrieben haben. Darunter die Räder von Pantani, Petacchi und Ballan.
Die Räder werden zwar in Fernost gefertigt, aber immer noch in Italien bei Wilier persönlich zusammengesetzt.
Claudio Salomoni von Wilier
Wir hatten die Gelegenheit mit Claudio Salomoni, Wiliers internationalen Sales Manager zu sprechen. Dieser Mann kann auf eine 25-jährige Geschichte im Radsport zurückblicken. Er wurde in Treviso geboren und arbeitete 16 Jahre lang für Pinarello, sozusagen ein Nachbarn von Wilier. Während Salomonis Zeit bei Wilier brachte das Unternehmen unter anderem das Leichtgewicht Zero 7, das Zeitfahrbike Twin Blade und das SR sowie AIR auf den Markt.
In Wilier vereint sich ein Gegensatz. Die traditionsreiche Firmenhistorie mit dem Sieg des Giro d’Italia 1948 von Fiorenzo Magni trifft auf das stetige Verlangen nach dem “Neuen”. Eine Neuauflage der kupferfarbenen Stahlmaschinen hat sich nicht verkauft, meinte Salomoni gleich zu Beginn. Im Ausstellungsbereich teilen sich die Bikes von früher den Platz mit neuen Modellen und Prototypen.
Salomoni sagte, dass in seinen Augen hydraulische Scheibenbremsen nur für zwei Märkte Sinn machen. Die Commuter oder Pendler suchen in der Regel nach einem robusten System, welches auch bei nassen Verhältnissen zuverlässig arbeitet. Die zweite Gruppe beschrieb er mit den Worten “the high end”. Die Sorte von Menschen, die stets die neuste Technik an ihrem Bike montiert haben wollen. Alle anderen interessieren sich in seinen Augen nicht so stark für die Technik und legen oft sogar Wert auf die traditionellen Felgenbremsen.
Wilier Twin Blade
Im Ausstellungsbereich fanden wir bei unserem Besuch auch das Twin Blade in den Team Colombia-Farben. Das Pro Continental-Team ist in Italien sehr bekannt. Der Name kommt von der sehr radikal gestalteten Gabel. Das Modell beschreibt Wiliers Charakter besser als die Sammlung alter Trikots, die auch im Ausstellungsbereich zu finden ist. Die Vergangenheit ist Vergangenheit. Das liest man zumindest zwischen den Zeilen von Salomonis Antworten.
Das Twin Blade ist nicht nur futuristisch, es ist auch von der UCI zugelassen. Salomoni sagte dazu: “Als wir das Bike designt haben, wollten wir auch, dass unsere Fahrer es nutzen können.” Vor allem die Gabel ist unglaublich aerodynamisch und ist so gestaltet, dass die Beine darin mehr oder weniger eingelassen sind. Dadurch soll ein gleichmäßiger Luftstrom mit möglichst wenigen Verwirbelungen gewährleistet sein. “Diese Gabel ist die steifeste, die du auf dem Markt finden wirst. Du kannst sie keinen Millimeter biegen,” sagte Salomoni stolz. “Das ist ein großer Pluspunkt für ein Bike, welches mit dem Ellenbogen gefahren werden muss. Es wird dir vielleicht etwas hart vorkommen, aber nachdem man es nur 30km, 40km oder 50km fährt, sollte das kein Problem sein.
Viele sind vielleicht überrascht, dass so ein radikales Design die UCI-Zulassung bekommen hat. Oft ist es so, dass die Profis in Rennen auf viele Features und Technologien verzichten müssen, die Amateuren frei stehen. So verhält es sich zum Beispiel mit der hydraulischen Scheibenbremse.
Share