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Rennberichte & Analysen

Niki Terpstra gewinnt die Flandernrundfahrt 2018

Der Holländer fährt im Soloritt zum Sieg in Oudenaarde bei der 102. Flandernrundfahrt.

Niki Terpstra (Quick-Step Floors) holte seinem Team einen weiteren Sieg bei den Klassikern, nachdem er sich mit einer starken Leistung alleine zum Ziel kämpfte. Der Holländer konnte sich am Kruisberg absetzen, nachdem Vincenzo Nibali (Bahrain-Merida) zum Angriff überging.

Terpstra konnte den Italiener schon bald abhängen. Kurz darauf holte er drei Fahrer ein, die sich auf dem Kwaremont vom Hauptfeld abgesetzt hatten. Aber auch die drei Fahrer ließ der Holländer hinter sich und machte sich auf seinen Soloritt zum Ziel. Hinter ihm kam es auf den letzten zwei Anstiegen zu einer rasanten Verfolgungsjagd von keinen anderen als Peter Sagan (Bora-hansgrohe), Greg Van Avermaet (BMC Racing) und Titelverteidiger Philippe Gilbert. Aber Terpstra schaffte es auch, sich diese starke Verfolgungsgruppe vom Leib zu halten und zum Sieg zi fahren. Mads Pedersen (Trek-Segafredo) wurde zweiter, Titelverteidiger holte sich und dem Quick-Step Team den dritten Platz.

Niki Terpstra (Quick-Step Floors) gewinnt durch einen perfekt angepassten Angriff auf dem Kwaremont die Flandernrundfahrt 2018 in Oudenaarde. (Foto: Sirotti)
Niki Terpstra (Quick-Step Floors) gewinnt durch einen perfekt angepassten Angriff auf dem Kwaremont die Flandernrundfahrt 2018 in Oudenaarde. (Foto: Sirotti)

„Für mich ist ein Traum wahr geworden“, sagte der Holländer. „Ich gewinne Paris-Roubaix und nun kommt die Flandernrundfahrt zu meinen Erfolgen dazu. Als Kind habe ich von diesen zwei Rennen immer geträumt. Ich war verrückt danach. Und jetzt habe ich beide Rennen in meinen Palmarès. Ich kann nicht in Worte fassen, wie glücklich ich bin.“

Endlich mal wieder Klassikerwetter bei der Flandernrundfahrt: Das feuchte Kopfsteinpflaster veranlasste die Fahrer, das Rennen taktischer zu gestalten. (Foto: Sirotti)
Endlich mal wieder Klassikerwetter bei der Flandernrundfahrt: Das feuchte Kopfsteinpflaster veranlasste die Fahrer, das Rennen taktischer zu gestalten. (Foto: Sirotti)

Nach einigen Jahren recht untypischen Klassikerwetters begrüßten ein wolkenverhangener Himmel und nasse Straßen die Profis, als sie sich am Ostersonntag in Antwerpen am Start versammelten, um sich auf die 265 km lange Strecke nach Oudenaarde aufzumachen. Um Punkt halb zehn rollte das Peloton über die Startlinie und nach neun neutralisierten Kilometern wurde die 102. Flandernrundfahrt eingeläutet.

Nach einer rasanten ersten Stunde im Rennen, einem Sturz, in dem auch Sep Vanmarcke (EF Education First-Drapac) verwickelt war und 70 Kilometern konnte sich schließlich ein elfköpfige Ausreißergruppe vom Hauptfeld absetzen: Filippo Ganna (UAE Team Emirates), Ivan Garcia Cortina (Bahrain-Merida), Ryan Gibbons (Dimension Data), Pascal Eenkhoorn (LottoNL-Jumbo), Aimé De Gendt (Sport Vlaanderen-Baloise), Michael Goolaerts (Veranda’s Willems-Crelan), Dimitri Peyskens (WB Aqua Protect-Veranclassic), Pim Ligthart und Floris Gerts (beide Roompot-Nederlandse Loterij), Jimmy Turgis (Cofidis) und Marco Haller (Katusha-Alpecin).

Nach 120 Kilometern erreichten die Fluchtgruppe und das Peloton den ersten der 18 Anstiege – den Oude Kwaremont. Von dort auf dem Weg zur Muur Geraardsbergen beschleunigte sich die Geschwindigkeit im Hauptfeld. Aber ein Angriff auf dem berühmten Anstieg zur Kapelle wie im letzten Jahr blieb dieses mal aus, stattdessen sorgte ein heftiger Unfall auf dem Weg nach Geraardsbergen für Aufregung.

Auch wenn ein Angriff auf der Muur de diesmal ausblieb, die Atmosphäre auf dem klassischen Anstieg zeigt die Beliebtheit dieses Hellingen. (Foto: Sirotti)
Auch wenn ein Angriff auf der Muur de Geraardsbergen diesmal ausblieb, die Atmosphäre auf dem klassischen Anstieg zeigt die Beliebtheit dieses Hellingen. (Foto: Sirotti)

Der ehemalige Sieger Stijn Devolder, Ian Stannard (Team Sky) und Oliver Naesen (AG2R La Mondiale), einer der Favoriten bei der diesjährigen Flandernrundfahrt, waren in dem Sturz verwickelt, konnten aber weiterfahren. Angriffe auf der Muur blieben aus, als Tiesk Benoot das Hauptfeld auf das letzte Stück an der Kapelle vorbei führte. Die nassen Kopfsteinpflaster bei der Flandernrundfahrt veranlassten viele Fahrer, das Rennen ruhiger und taktischer angehen zu lassen, um sich auf dem rutschigen Untergrund nicht zu unnötigen Risiken verleiten zu lassen.

Nachdem es auf der Muur noch relativ ruhig zugegangen war, kam auf dem Kanarieberg, 75 Kilometer vor dem Ziel, durch eine Beschleunigung von Quick-Step Floors Bewegung in das Renngeschehen. Das Hauptfeld holte die Fluchtgruppe ein. Tom Devriendt (Wanty-Groupe Gobert) und Ivan Garcia Cortina konnten dem Hauptfeld entkommen und sich einen Vorsprung von einer Minute erarbeiten. Nach 200 Kilometern im Rennen hatten Devriendt und Garcia Cortina mit einer kleinen Gruppe einen Vorsprung von 1:30 Minuten.

Der legendäre Koppenberg stand als nächster Anstieg auf dem Programm. Schmal, unwegsam und brutal kommt es auf diesem Hellingen immer wieder zu dramatischen Szenen. Dieses Jahr versammelten sich sechs Fahrer in einer kleinen Gruppe vor dem Peloton: Zu Devriendt und Garcia Cortina gesellten sich Mads Pedersen (Trek-Segafredo), Magnus Cort Nielsen (Astana), Sebastian Langeveld (EF Education First-Drapac) und Dylan van Baarle (Tram Sky). Hinter ihnen kam es auf halben Wege auf dem Koppenberg zu einem beherzten Angriff von Terpstra. Benoot reagierte als erster, Gilbert fackelte nicht lange und parierte, gefolgt von Van Avermaet, Sagan, Van Aert, Vanmarcke, Stuyven, Kristoff und dem Sieger von Milan-San Remo Vincenzo Nibali. Démare, Naesen, Kwiatkowski, Trentin, Stybar, Colbrelli, Boasson-Hagen, Moscon, Roelandts, Oss, Haussler, Politt, Lampaert und Valgren waren auch alle mit von der Partie. Letztendlich schaffte es Mike Teunissen, sich kurz nach dem Koppenberg dem Gruppetto anzuschließen.

Ganz nach der Tradition der Strecke bei der Flandernrundfahrt kamen die Hellingen Schlag auf Schlag, je näher das Ziel rückte, um so aggressiver wurden die Angriffe. Als seien die Motoren warmgelaufen, kam auch immer mehr Bewegung in das Peloton, der Spannungsfaktor stieg. Der Taaienberg war Nummer 15 von 18 Anstiegen und hier, 40 Kilometer vor dem Ziel, entfesselte Greg Van Avermaet einen unnachgiebigen, harten Angriff.

Alle Jahre wieder spielen sich auf dem Koppenberg dramatische Szenen ab und auch Profis sehen sich zum Gehen gezwungen. (Foto: Sirotti)
Alle Jahre wieder spielen sich auf dem Koppenberg dramatische Szenen ab und auch Profis sehen sich zum Gehen gezwungen. (Foto: Sirotti)

Aber  Vanmarcke, Stybar, Van Aert, Valgren Andersen, Sagan und Kristoff hatten Van Avermaet nicht aus den Augen gelassen und markierten ihn. Kurz nach dem Taaienberg zog zuerst Terpstra das Tempo an, gefolgt von Stybar. Die zwei Fahrer kamen nicht weit, als sowohl Roelandts als auch Moscon ihren Angriff neutralisierten.

Zu diesem Zeitpunkt, nach dem Taaienberg und vor den letzten drei Anstiegen, befanden sich zwei Ausreißer eine halbe Minute vor dem Gruppetto von circa 30 Fahrern, gefolgt vom Rest des Feldes. Noch hatte sich kein Fahrer oder Team hervorgehoben oder einen bewussten Angriff gewagt. Alle Möglichkeiten waren noch offen, aber es war nur noch eine Frage der Zeit, bis es zu einem entscheidenden Zug kommen würde.

Ein Angriff kam von Colbrelli auf dem Kruisberg, 30 Kilometer vor dem Ziel in Oudenaarde. Colbrelli beschleunigte, zusammen mit Stybar, Sagan, Kwiatkowski und Stuyven. Sie wurden schon bald wieder eingeholt und diesmal kam ein Angriff von Nibali, als das Rennen wieder Asphalt unter den Rädern hatte. Terpstra markierte Nibali und in diesem Moment nahm das Rennen Gestalt an, der Spannungsfaktor stieg merklich an. Nibali hatte sichtlich Probleme, mit Terpstra mitzuhalten. Dieser zögerte nicht lange und ließ den Italiener auf dem kurzen, scharfen Hotond hinter sich. Van Baarle, Langeveld und Pedersen hatten noch 15 Sekunden Vorsprung, das Gruppetto befand sich noch 30 Sekunden hinter der kleinen Fluchtgruppe, aber der Angriff von Terpstra war der Schlüsselmoment bei der Flandernrundfahrt 2018.

Terpstra passte seinen Angriff perfekt ab: Kurz vor dem Ort Kwaremont holte der Holländer die drei Ausreißer ein und segelte an ihnen vorbei. Pedersen war der letzte Fahrer in der Gruppe, den Terpstra abhängte, aber dieser gab nicht so leicht auf. Terpstra wusste, das er eine Chance hatte, die Rundfahrt zu gewinnen, wenn er es verhindern konnte, sich die Verfolger vom Leib zu halten. Zielstrebig und voller Entschlossenheit raste er über das Kopfsteinpflaster, den Kwaremont hinauf.

Niki Terpstra auf dem Weg zum Ziel: Der Holländer schaffte es durch seinen Angriff, auf dem Kwaremont sich von der Gruppe abzusetzen und den Abstand zu halten. Der Sieg gehörte ihm. (Foto: Sirotti)
Niki Terpstra auf dem Weg zum Ziel: Der Holländer schaffte es durch seinen Angriff, auf dem Kwaremont sich von der Gruppe abzusetzen und den Abstand zu halten. Der Sieg gehörte ihm. (Foto: Sirotti)

Hinter ihm lieferten sich Benoot und Vanmarcke ein Duell, Kwiatkowski und Lampaert konnten nicht mithalten und wurden zurück gelassen. Die Erschöpfung nach über 200 Kilometern, nassen Kopfsteinpflaster und steilen Anstiegen machte sich bemerkbar. Terpstra war derjenige, der sich auf dem Weg zum Ziel und zum Sieg befand. Sagan versuchte einen weiteren Angriff, aber Gilbert und Van Aert liessen den Weltmeister nicht aus ihren Augen und reagierten sofort. Auf dem Paterberg, dem letzten Anstieg vor dem Ziel, kam es zu einem weiteren Versuch von Sagan, sich abzusetzen und Terpstra hinterher zu jagen. Es war ein ziemlich verzweifelter aber auch aggressiver Versuch des Weltmeisters, der letztendlich von den Verfolgern wieder eingeholt wurde, als auf der Abfahrt und dem letzten Stück nach Oudenaarde die Kilometer fielen.

Während sich hinten im Hauptfeld der Kampf um die Plätze unter den ersten zehn entwickelte, fuhr ein starker Terpstra einen Zieleinlauf und zu einem unvergesslichen starken Sieg seines Lebens. Pedersen kämpfte um den zweiten Platz, Valgren griff auf den letzten Kilometern an, aber Gilbert hatte ihn markiert und der dritte Platz ging an den Titelverteidiger. Aber es war Terpstra, der sich und seinen Sieg im Ziel gebührlich feiern liess. Terpstra und sein Team Quick-Step Floors hatten wieder mal bewiesen, wie man die Stärke eines Teams klug und geschickt einsetzt, um seine Rivalen zu überlisten.

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