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Rennberichte & Analysen

Die fünf entscheidenden Momente des Giro d’Italia 2019

Von Bologna nach Verona: Wie Carapaz Geschichte schrieb

Der Giro d’Italia ist immer wieder für Eine Überraschung gut. Auch beim Giro d’Italia 2019 kam alles anders als erwartet: Die Liste der Favoriten auf den Gesamtsieg konnte sich sehen lassen, als das Peloton sich in Bologna auf den Weg machte. Aber alle hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht und der Fahrer, der letztendlich in Verona zum Sieger gekrönt wurde, war auf keiner der Listen zu finden: Richard Carapaz.

Der Ecudorianer wurde von seinem Team, Movistar, auch keine besondere Stellung im Team zugeordnet. Vor allem, wenn sich unter den Topfavoriten Namen wie Tom Dumoulin (Team Sunweb), Vincenzo Nibali (Bahrain-Merida), Primoz Roglic (Jumbo Visma), Simon Yates (Mitchelton-Scott) und Miguel Angel Lopez (Astana) tummelten.

Es kommt immer anders: Richard Carapaz (Movistar) ist der Sieger des Giro d’Italia 2019. Der Ecuadorianer zählte nicht zu den Favoriten und kam, sah und siegte. (Foto: Sirotti)

Stille Wasser sind tief: Innerhalb der drei Wochen des Giro d’Italia 2019 wurde die Radsportwelt auf Carapaz aufmerksam. Der Movistar-Fahrer trat aus dem Hintergrund hervor und zeigte Anzeichen, dass er ein ernstzunehmender Mitstreiter auf den Gesamtsieg sein könnte. Am dritten Wochenende, während der Etappe in den Alpen, kam es zum überraschenden Etappensieg für den 26-jährigen. Dieser Sieg gab ihm die Möglichkeit, als Sieger hervorzugehen. Carapaz ergriff die Chance und verteidigte mit seinem Team von da an das maglia rosa.

Für einen der Hauptfavoriten kam es zu einem frühzeitigen Aus: Nach seinem Sturz auf der 4. Etappe zog sich der Sieger des Giro d’Italia 2017 Eine Knieverletzung zu, die ein Weiterfahren am nächsten Tag unmöglich machten. (Foto: Sirotti)

Der Giro d’Italia 2019 hatte Drama. Vor allem war es ein Rennen, in dem ein Favorit nach dem anderen eliminiert wurde. Carapaz hingegen behielt Fassung, Form und Leistung und war an den entscheidenden Moment immer zur Stelle, dem Rennen seinen Stempel aufzudrücken. Das Ergebnis war für jeden in Verona zu sehen.

Ein Sturz wird das Ende für Dumoulin

Tom DuMoulin kam auf der vierten Etappe ins Ziel, sichtlich in Schmerzen und mit blutüberströmtem Knie. Der Sieger des Giro d’Italia 2017 konnte sein Pedal kaum selber drehen. Ein Soigneur vom Team Sunweb musste dem verunglückten Fahrer zu Hilfe eilen, um ihn sicher zum Teambus zu geleiten.

Vier Minuten waren vergangen, seit der Etappensieger Richard Carapaz die Ziellinie überquert hatte. Es war klar, dass die Chancen auf einen weiteren Sieg beim Giro d’Italia für DuMoulin dahingeschmolzen waren. DuMoulin machte am folgenden Tag einen Versuch, die Grand Tour weiter zu bestreiten. Aber noch in der neutralen Zone nach dem Start sah er sich gezwungen, in das Teamauto zu steigen.

Er wurde schon früh als Sieger gehandelt und schien unschlagbar: Nach zwei Etappensiegen beim Einzelzeitfahren und starker Leistung in den Bergen schien Primoz Roglic der Sieg sicher – so lange er Vinncenzo Nibali kontrollieren konnte. Aber es kam alles anders… (Foto: Sirotti)

Nachdem die Strecke des Giro d’Italia bekanntgegeben worden war, hatte sich der Sunweb-Fahrer entschlossen, den Giro der Tour vorzuziehen. Seine frühzeitige Aufgabe entfernte nicht nur einen der Hauptfavoriten von der langen Liste. DuMoulin wurde als der Fahrer gehandelt, der es mit Primoz Roglic im Zeitfahren auf der 9 Etappe aufnehmen konnte.

Der Giro fuhr weiter. Dumoulins Aufgabe und die Sekunden, die einige der Hauptfavoriten wie Nibali, Yates und Mikel Landa (Astana) an dem Tag verloren, war nach der vierten Etappen in aller Munde. Der Etappensieg von Carapaz war der Anfang seiner Geschichte beim Giro d’Italia, der erste Schritt in seinem Feldzug zum Gesamtsieg. Auch wenn es an dem Tag noch nicht offensichtlich war.

Das Einzelzeitfahren in San Marino mischt alles auf

Primoz Roglic kam zum Giro d’Italia mit einem beeindruckenden Resume an Siegen bevor er in Italien an den Start ging: Der Solvene gewann die UAE Tour, Tirreno-Adriatico und die Tour de Romandie. Sein Siegeszug blieb mit dem Etappensieg beim Einzelzeitfahren des Giro in Bologna ungebrochen.

Auf der neunten Etappe des Giro d’Italia stürmte der Jumbo-Visma Fahrer erneut zum Etappensieg. Für viele ein Zeichen, dass es sich beim Solvenen um einen der Hauptanwärter des Gesamtsiegs handelte. Das Einzelzeitfahren in San Marino hatte bei vielen Favoriten Spuren hinterlassen: Simon Yates verlor 3:11, Mikel Landa und Miguel Lopez gaben beide mehr als drei Minuten ab.

Die Rivalität zwischen Roglic und Nibali gab Carapaz die Chance, sich quasi unbeobachtet in die Führung zu begeben. Eine Chance, die der Movistar-Fahrer auch wahrnahm. Im maglia rosa, verteidigte er seine Führung gekonnt gegen Nibali, der nichts unversucht ließ, den Sieg für sich zu beanspruchen. (Foto: Sirotti)

Vincenzo Nibali war der einzige Fahrer, der innerhalb von zwei Minuten hinter dem Etappensieger Roglic lag. Für viele ein Zeichen, dass es zu einem Zweikampf zwischen dem Hai von Messinah und Roglic kommen würde, wenn der Giro sich zu den  entscheidenden Etappen im Hochgebirge machen würde.

 

Carapaz Leistung in San Marino wurde kaum Beachtung geschenkt: Der Ecuadorianer wurde 11., mit einem Rückstand von 1:55 auf Roglic. Insgesamt befand er sich 3:15 hinter dem Slovenen in der Gesamtwertung. Aber er platzierte entschieden vor Landa in der Gesamtklassifikation. Sein Team Movistar wurde auf ihren Fahrer aufmerksam. Und das zu recht.

Roglic und Nibali greifen sich gegenseitig an, Carapaz wittert seine Chance

Es kam zu einer erbitterndend Auseinandersetzung zwischen Nibali und Roglic, in der Nibali Roglic verbal angriff und seine Fahrweise öffentlich kritisierte. Jedoch stellate der Italiener mit seinem Ausbruch seine eigene Unsicherheit bloß und schien mit seiner Aussage den Ausgang des Giro d’Italia 2019 zu prophezeien.

„Wenn er so weiterfährt, wird er den Giro nicht gewinnen“, soll Nibali gesagt haben. „Ich werde auch nicht gewinnen, aber er auch nicht.“ Der Sizilianer konzentrierte seine Energie auschliesslich auf Roglic. Die beiden Favoriten waren so miteinander beschäftigt und unter der falschen Annahme, dass nur sie die echten Anwärter auf das maglia rosa waren, dass sie einen gravierenden Fehler begingen: Sie ließen ihre Rivalen aus den Augen, die wiederum wertvolle Sekunden einfuhren.

Das letzte Zeitfahren auf der letzten Etappe in Verona entschied: Der Sieger des 102. Giro d’Italia heißt Richard Carapaz. Vierter beim Giro d’Italia 2017 war dieser Ausgang des Giro d’Italia 2019 für viele überraschend.(Foto:Sirotti)

Carapaz witterte seine Chance und fackelte nicht lange: Als Nibali und Roglic auf dem letzten Pass in den Alpen zu sehr damit beschäftigt waren, sich gegenseitig zu beobachten, ging Carapaz zum Angriff über: Er zog sein Tempo an und holte sich einen Zeitgutschrift von 1:19 über den zwei rivalisierenden Fahrern. Sein Vorsprung auf das maglia rosa schwand, die Rennradgemeinde wurde aufmerksam, das Rennen nahm Eine andere Gestalt an.

Am darauffolgenden Tag begingen Carapaz und Roglic den gleichen Fehler: Roglic nahm absichtlich das Tempo raus und Carapaz holte sich 1:54 Vorsprung, was ihn in das maglia rosa und in die Führung katapultierte. Roglic Strategie war, dass Movistar das maglia rosa verteidigen sollte. Aber dann fiel sein Plan auseinander, als er auf dem Weg nach Como den Anschluss und letztendlich jegliche Chance auf den Sieg verlor.

Movistar verteidigte das maglia rosa von da an bis nach Verona. Carapaz bewies, dass er ein ernstzunehmender Favorit bei den Grand Touren sein kan. Der Ecudorianer kam 1:05 vor Nibali und 2:30 vor Roglic in Verona an.

Como: Die Etappe, auf der Roglic den Giro d’Italia endgültig verliert

Carapaz war im maglia rosa, aber das Hauptaugenmerk des Giro d’Italia 2019 war immer noch die schwelende und öffentliche Rivalität zwischen Nibali und Roglic. Der Slovene hatte seine Stärke bei den zwei Zeitfahren unter Beweis gestellt. Auch in den Bergen schien er unverwüstlich, auch wenn er absichtlich sein Tempo drosselte, um die Führung und das maglia rosa erstmal anderen, in diesem Fall Carapaz, zu überlassen.

 

 

Das letzte Einzelzeitfahren in Verona stand noch aus. Roglic war bei vielen noch der Hauptfavorit auf den Sieg. Auf der 15. Etappe schien die Fassade des Slovenen zu bröckeln. Aufgrund eines Defekts kurz vor dem letzten Pass, Civiglio, war Roglic zum Anhalten gezwungen. Das Jumbo-Visma Teamfahrzeug war nicht sofort zur Stelle, Roglic verlor wertvolle Minuten.

Mit seinem Sieg schreibt Carapaz Geschichte: Er ist der erste Ecuadorianer, der eine Grand Tour gewinnt. (Foto: Sirotti)

Kurzentschlossen schwang sich Roglic auf das Rad seines Teamkollegen Antwan Tolhoek, um zu retten, was noch zu retten war. Nibali hatte sich in der Zwischenzeit die Gelegenheit zu Nutze gemacht und fuhr mit Vollgas auf dem Civiglio zum Angriff. Auf der Abfahrt stürzte Roglic auch noch und zog sich Eine Rippenverletzung zu. Der ganze Tag kostete ihm 40 Sekunden Verlust an Nibali und Carapaz, der Giro d’Italia 2019 verlor zunehmend an Fahrt und Spannung.

Vom Teamführer zum Helfer: Landa zweigt Integrität gegenüber seinem Teamkollegen Carapaz

Er sucht nach Freiheit und der Möglichkeit, sein Rennen zu fahren, aber wenn es darauf ankommt, hat Mikel Landa auch beim Giro d’Italia 2019 bewiesen: Er ordnet seine Bedürfnisse den Bedürfnissen seines Teams unter. In der letzten Woche des Giro wurde den moisten klar, dass Carapaz sich auch im Hochgebirge gegenüber Nibali durchsetzen konnte.

 

 

Aber wie stand es um die Rivalität in den eigenen Reihen? Mit wachsendem Interesse verfolgten Fans und Medien Eine potentielle Drohung aus den eigenen Reihen im Team Movistar in der Form von Mikel Landa. Carapaz wusste jegliche Munkelei zu entschärfen. Landa selber bewies, dass er seinem Teamkollegen zur Seite stand, anstatt sein eigenes Interesse zu verfolgen: Auf der 16. Etappe führte er Carapaz zurück zu Nibali, nachdem er sich in einem Angriff auf dem Mortirolo abgesetzt hatte.

Auf der 19. Etappe stand Landa seinem Teamkollegen im maglia rosa bei, selbst als Lopez auf dem letzten Stück angriff. Und auf der vorletzten Etappe half der eigentlichen Teamkapitän von Movistar dem maglia rosa das Tempo zu halten, damit dieser sich von Roglic und Nibali absetzen konnte. Carapaz erwiederte den Gefallen, als er Landa auf dem letzten Anstieg nach Monte Avena zum Podiumsplatz verhalf. Landa war Teamkapitän, aber er wusste, dass die Führung bei Carapaz lag und setzte sich ein, seinem Teamkollegen zum wohlverdienten Sieg zu verhelfen.

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