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Ratgeber

Bundestagswahl 2017 – der Parteiencheck für Fahrradfahrer

Am 24. September 2017 ist Bundestagswahl! Doch wen sollte man hinsichtlich der Fahrradpolitik wählen? Ein Einblick in die aktuelle Situation und die Wahlprogramme.

Alle vier Jahre wählen wir, wer in den Bundestag kommt und fortan die nächsten vier Jahre die Geschicke der Bundesrepublik Deutschland lenkt. Am 24. September 2017 ist es wieder soweit: 42 Parteien streiten um die Gunst der Wählerinnen und Wähler. Wir haben uns die Radfahrerbrille angezogen und die Wahlprogramme der größten Parteien auf fahrradbezogene Themen durchforstet.

Doch zuvor noch ein Blick auf die aktuelle Situation des deutschen Straßenwesens. Denn mit dem Bau von Radwegen ist nur ein Teil der Pflicht erledigt. Einmal gebaute Radwege müssen auch instandgehalten werden. Und noch weit vor dem Bauzeitpunkt bedarf es überhaupt einer Akzeptanz für den Fahrradverkehr ebenso wie kluger Baukonzepte. Stellschrauben, an denen die Bundespolitik drehen kann.

Wem gilt eure Stimme bei der Bundestagswahl 2017?
Wem gilt eure Stimme bei der Bundestagswahl 2017?

Angesichts maroder Straßendecken, tiefer Schlaglöcher und zusätzlich einer dem motorisierten Verkehr untergeordneten Radwegführung, sinkt nämlich wiederum die Akzeptanz unter Fahrradfahrern gegenüber Fahrradwegen. Und dagegen können auch schwammig formulierte Radwegbenutzungspflichten nur wenig bewirken.

Nicht nur Schlaglöcher erschweren dem Fahrrad, sich als Fortbewegungsmittel durchzusetzen.
Nicht nur Schlaglöcher erschweren dem Fahrrad, sich als Fortbewegungsmittel durchzusetzen.

Kein Wunder also, dass insbesondere Rennradfahrer mit ihren empfindlichen Reifen und hohen Durchschnittsgeschwindigkeiten oft lieber den Weg über die, in der Regel besser ausgebauten und sorgfältiger gepflegten, Straßen nehmen. Die Folge sind gefährliche Überholsituationen, Unfälle und eine schwelend-aggressive Atmosphäre des Unverständnisses zwischen Autofahrern und Radlern.

Deutschlands Straßen – ein Überblick

Das deutsche Straßennetz ist ungefähr 650.000 Kilometer lang. Nach einer Erhebung durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) waren im Jahre 2013 39 % der Bundesstraßen, 25 % der Landstraßen und 16 % der Kreisstraßen in der Bundesrepublik mit Radwegen ausgestattet.

Zwischen den Bundesländern gibt es große Unterschiede beim Ausbau der Straßen mit Radwegen. Während Schleswig Holstein die Statistik mit 78 % der Bundesstraßen und  41 % der Kreisstraßen anführt, sind Sachsen und Rheinland-Pfalz mit 26, bzw. 25 % der Bundesstraßen und 4 % der Kreisstraßen das rote Schlusslicht des bundesweiten Fahrradwegausbaus.

Deutschland – ein Flickenteppich der Fahrradfreundlichkeit

Nicht in der Statistik des BMVBS enthalten sind allerdings Gemeindestraßen, die mit einer Länge von über 400.000 Kilometern den größten Anteil des Gesamtstraßennetzes in Deutschland stellen. Diese Straßen werden von den mehr als 11.000 Gemeinden in Deutschland geplant, gebaut und unterhalten. In der Summe ergibt sich so bundesweit ein Flickenteppich der Fahrradfreundlichkeit, bei dem Radwege an Gemeindegrenzen schonmal im Nichts enden.

Das die Kommunen die Notwendigkeit gut geplanter Radverkehrskonzepte unterschiedlich gewichten, wird also mitunter am eigenen Leib spürbar und äußert sich so auch in Studien. Eine Umfrage des ADFC von 2016 kürte ein weiteres Mal Münster mit Abstand zur fahrradfreundlichsten Großstadt Deutschlands mit einer Gesamtnote von 3,07 auf einer Skala von 1 bis 6. Am Ende der Tabelle findet sich Hagen mit einer Note von 4,72.

Der Bund kann auf Ebene der Länder und Kommunen hinsichtlich des Straßenbaus nur indirekt Einfluss nehmen. Nur für sogenannte Bundesfernstraßen, also Autobahnen und Bundesstraßen, trägt er die Baulast und somit auch die an solchen Straßen gebauten Fahrradwege. Der Rest der Straßen ist Sache der Länder und Kommunen. Der Bund kann jedoch durch die Gesetzgebung Rahmenbedingungen schaffen, Modellprojekte realisieren und Empfehlungen herausgeben, wie das seit 2002 durch den Nationalen Radverkehrsplan (NRVP) geschieht.

Der Nationale Radverkehrsplan

So soll nach dem aktuellen NRVP 2020 der Anteil des Radverkehrs von 10 % im Jahr 2008 um fünf Prozentpunkte im Jahr 2020 anwachsen. Erreicht werden soll die Steigerung durch verbesserte Infrastruktur, Aufklärung und Serviceleistungen wie Fahrradstationen oder Fahrradschlauchautomaten. Radschnellwege, eine breite und durchgängige Form des Radweges, die auf die Bewältigung von hohem Verkehrsaufkommen zugeschnitten ist, sollen 2017 laut dem NRVP 2020 mit zusätzlichen 25 Millionen Euro gefördert werden.

Sieht man sich den Anteil des Radverkehrs in den Niederlanden, neben Dänemark einer der europäischen Vorreiter in Sachen Fahrradfreundlichkeit, an, wo er 2015 satte 31 % betrug, wird klar, dass es aus der Sicht der Radfahrer in Deutschland noch viel zu tun gibt. Und dabei fehlt es manchmal nicht einmal an Geld. Das Problem ist in manchen Fällen ein ganz anderes: Weil es in den Gemeinden an Personal mangelt, das die für eine Beantragung erforderlichen Anträge und Pläne bearbeiten kann, bleiben Millionen an Fördergeldern des Bundes, übrigens nicht nur für Straßen, schlicht liegen.

Das Problem schlechter Fahrradinfrastruktur muss also vielschichtig betrachtet werden und immer auch im Zusammenhang mit herkömmlichen Straßen, die gerade auf dem Land bevorzugt von Rennradfahrern genutzt werden, wenn es denn überhaupt eine Auswahl gibt.

Parteiencheck – was sagen die Parteien zum Thema „Fahrrad“?

Zur Bundestagswahl 2017 haben wir uns die Wahlprogramme der acht Parteien angesehen, die laut der Prognose auf bundestagswahl-2017.com die meisten Stimmen erhalten werden (Stand: 10. September 2017). Die Reihenfolge ist von vielen nach wenigen Stimmen, wie sie auf der genannten Webseite prognostiziert werden.

Zitiert werden die Teile der jeweiligen für die Bundestagswahl 2017 veröffentlichten Wahlprogramme, die den Suchbegriff „Fahrrad“ aufweisen. Eine fundierte Wahlentscheidung sollte unter Kenntnis des gesamten Programms der jeweiligen Partei erfolgen.

Für welche Partei ihr euch am Ende auch entscheidet: Wir rufen euch auf, liebe RCDE-Leser, am 24. September 2017 wählen zu gehen!

Los geht es mit den Parteien:

CDU

Auf Seite 47 des 78-seitigen Wahlprogramms der CDU findet sich der folgende Absatz:

„Wir erwarten von den betroffenen Städten, dass sie auch die Fahrrad-Mobilität fördern, ähnlich wie dies in den Niederlanden oder in der Stadt Münster der Fall ist. Gerade junge Menschen sind häufig bereit, auf Fahrräder umzusteigen. Der Bund wird den Fahrradverkehr und den Radwegebau weiter fördern. Wir starten ein Programm zur Förderung von Radschnellwegen, die unabhängig von vorhandenen Bundesstraßen verlaufen.“

SPD

Das Wahlprogramm der SPD umfasst 88 Seiten. Auf Seite 59 findet sich der gesuchte Begriff:

„Die Infrastruktur für den Fahrradverkehr wollen wir verbessern. Dazu gehören mehr innerörtliche Fahrradspuren, sichere Abstellmöglichkeiten und regionale Radschnellwege. Für E-Bikes müssen außerdem mehr Ladestationen unter anderem an öffentlichen Gebäuden zur Verfügung gestellt werden.“

Die Linke

Die Linken ziehen mit einem 136 Seiten starken Wahlprogramm in den Wahlkampf. Auf Seite 86 steht:

„Fuß und Fahrrad vor! Wir wollen Radfahren und Zufußgehen im Alltag attraktiver und sicherer machen: Mehr Platz auf den Straßen, mehr sichere und intakte Rad- und Fußwege und mehr Fahrradabstellanlagen sind nötig. In den Städten und Ballungsgebieten müssen Radschnellwege mit grüner Welle geschaffen werden. Dafür muss der Bund ausreichend zweckgebundene Mittel für die Kommunen bereitstellen. Wir wollen die Straßenverkehrsordnung fahrradfreundlicher gestalten.“

AfD

Im 76-seitigen Wahlprogramm der AfD findet das Wort „Fahrrad“ keine Erwähnung.

FDP

Auf den 96 Seiten des FDP-Wahlprogramms kommt „Fahrrad“ nicht vor.

Bündnis 90/Grüne

Auf Seite 64 des 248 Seiten dicken Wahlprogramms der Grünen findet sich:

„Radverkehr ausbauen – mehr Platz für das Fahrrad

Immer mehr Menschen nutzen das Rad, weil es schnell, preiswert und bequem ist. Wir wollen die Infrastruktur für Fahrräder deutlich verbessern. Der Bund muss dabei mehr Verantwortung übernehmen. Gemeinsam mit Ländern und Kommunen bauen wir Radschnellwege und ein bundesweites Netz von hochwertigen Radfernwegen. Wir wollen die Fahrradmitnahme in allen Zügen durchsetzen. Wir werden Kaufanreize für elektrisch unterstützte Lastenräder einführen, denn sie haben im Lieferverkehr großes Potenzial. In der Straßenverkehrsordnung schaffen wir fahrradfreundliche Regeln wie zum Beispiel den „Grünpfeil“ für Radfahrerinnen und Radfahrer.“

Freie Wähler

Die Freien Wähler erwähnen „Fahrrad“ auf den 64 Seiten ihres Wahlprogramms nicht.

Piratenpartei

Das Wahlprogramm der Piraten umfasst 131 Seiten. Auf Seite 51 ist Folgendes zu lesen:

„Vernetzter Verkehr als Wahlfreiheit für alle

Von A nach B, egal womit: Die Möglichkeiten und Anbieter für verschieden kombinierbare Verkehrskonzepte werden massiv zunehmen. Wir setzen auf eine offene Vernetzung aller Verkehrsmittel vom Fahrrad über Busse und Bahnen bis zum Car-Sharing und sehen den öffentlichen Verkehr (Bus und Bahn) als natürlichen Angelpunkt eines sogenannten „multimodalen“ Verkehrssystems. Die Vernetzung der Verkehrsmittel braucht offene Standards und jederzeit barrierefreien Zugang für alle Nutzer. Sie bietet jedem Nutzer die freie Wahl des Verkehrsmittels und sorgt für eine effiziente Ausnutzung der Verkehrsräume. Vernetzte Verkehrsmöglichkeiten sollen daher auch in der Fläche und im ländlichen Raum etabliert werden.“

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