Fahrtest mit Überraschungen
Auf einer 120km-Runde zwischen Ammersee und Schloss Neuschwanstein haben wir den Haero-Zeitfahrlenker dann auf fast unzähligen, kurzen Anstiegen getestet. Das Handling des kompakten Lenkers ist außerordentlich gut. In Oberlenkerhaltung greift sich der 155 dank der breiten Auflagefläche extrem sicher und angenehm. Die verlegten Schalt- und Bremsseile sind kaum spürbar.
In Unterlenkerhalterung offenbart unser Testkandidat allerdings ungeahntes Eigenleben, sobald man kräftig am Lenker zieht oder über Teerlöcher rumpelt: er flext relativ stark. Was anfänglich noch für ein wenig Unbehagen sorgt, entwickelt sich nach 50 Kilometern zu einem Pluspunkt auf der Haben-Seite. Sicherlich ist ein stark spürbarer Flex nicht Jedermanns Sache und mag bei Sprints jenseits der 1000-Watt-Marke für Misstrauen sorgen. Der Flex des H.155 ist allerdings in seiner Ausdehnung spürbar begrenzt und hinterlässt letztendlich in unserem Fall nur Begeisterung für die daraus resultierenden Dämpfungswerte. Dank dieser Eigenschaft konnten wir auf die sonst gerne gewählten Specialized Gel-Polster am Oberlenker komplett verzichten und haben so 45 Gramm eingespart.
Der Extensionbogen erweist sich bei Anstiegen unterhalb der 4%-Marke als äußerst angenehmer Partner, wenn es darum geht den Anstieg aus dem Sitzen heraus durchzudrücken. Die zusätzliche Griffposition ermöglicht eine neue Sitzhaltung, ist aber gewöhnungsbedürftig und sollte anfänglich nicht auf schlechten oder stärker befahrenen Straßen geübt werden. Obwohl dem Lenker Armauflageflächen fehlen, eignet sich das flach designte Oberrohr gut zum Ablegen der Unterarme.
Sonderwünsche? Kein Problem
Erfreulich ist die Kundennähe bei den Schwaben. Sicher kann man angesichts des satten Preises von 485 Euro für Lenker und Bogen (415 Euro für den Lenker als Single und 489 Euro für die Kombi aus Lenker und langen Extension-Sticks) einen mit roter Seide ausgeschlagenen Teakholz-Kasten und eine Besitzerurkunde auf Elefantenpapier erwarten. Gibts aber nicht. Dafür berücksichtigt Haero Carbon aber Extrawünsche seiner Kunden ohne dafür erneut die Hand aufzuhalten.
Wer also den Flex beseitigt sehen möchte oder für seine Vorbauklemmung mehr Carbon verbaut haben mag, darf sich wie ein König fühlen. Jegliche Anforderungen, die nicht das Layout des Lenkers beinflussen, werden von Haero gerne erfüllt. Möglich macht das die individuelle Fertigung auf Kundenbestellung.
Für die Zukunft plant Haero noch einige Design-Schmankerl wie eingefärbte, einzelne Carbonfasern auf der Sichtmatte und in Grundfarben eloxierte Klemmhülsen und Gewinde. In Sachen Seriennummer setzt Haero schon jetzt auf High-End: statt einem eingelegten Nummern-Decal ist ein RFID-Chip mit in eine Carbonmatte eingebacken und lässt sich mit jedem geeigneten Lesegerät auslesen.
Fazit
Braucht man nun als begeisterter Pässefahrer und Kuppensammler einen Lenker für Bergzeitfahren? Nein, sicher nicht – aber es gibt doch einige Punkte die uns viel Spaß gemacht haben und gerade auf Langstrecken und Ultralangstrecken wie zum Beispiel auch bei 24h-Rennen zu einem echten Vorteil werden. Alternative Griffpositionen ermöglichen das Entspannen der Nackenmuskulatur und auch das zwischenzeitliche Ablegen auf dem Lenker kann wahre Wunder wirken.
Der exorbitante Preis des Haero Carbon H.155 macht den aktuell wahrscheinlich leichtesten Bergzeitfahrlenker nicht zu einem Produkt für Jedermann. Bei Freaks mit Sinn für das Schöne und Leichte und einem Hang zum Zeit- oder Langstreckenfahren steht der Punkt 155 aber ganz sicher sehr weit oben auf der Haben-Wollen-Liste.
Hersteller: Haero Carbon
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