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Profi-Radsport

Der Profi im Ruhestand: Das Leben nach dem Peloton

Eine Karriere als Profiradfahrer ist zeitlich sehr begrenzt. Was also passiert, wenn das Leben als Profi zuende ist und das "normale Leben" einkehrt?

Wenn die Karriere eines Profiradfahrers endet, kann der Umstieg zum Jedermann und zur relativen Normalität sich als steiniger Weg herausstellen. Wir haben vier ehemalige Profis zu ihrem Lebensweg nach dem Peloton befragt.

Sich ganz oben in der Elite der Rennradfahrer zu behaupten ist eine schwierige und manchmal auch prekäre Sache. Topfahrer müssen stets wettbewerbsfähig und verletzungsfrei bleiben und dabei in einer Vertragslandschaft agieren, die man im besten Falle als instabil bezeichnen könnte. Radsportteams werden nach der Laune von Sponsoren geboren und verschwinden genau so schnell wieder auf Nimmerwiedersehen.

Trotz alledem würden nur wenige, die sich dem Profizirkus einmal angeschlossen haben, diese Erfahrung gegen etwas anderes eintauschen wollen. Doch das „echte“ Leben nach einer Profikarriere, die oft schon im Jugendalter begann, kann sich als schwierige Periode für jemanden erweisen, der bis dahin die meiste Zeit seines Lebens im Sattel verbracht hat. Wir haben mit vier Ex-Profis gesprochen, die ihr Leben nach dem Peloton erfolgreich gestalten konnten.

Der Sportdirektor – Charly Wegelius

Nach elf Jahren als Profi war es für Charly Wegelius an der Zeit, seine Profikarriere zu beenden. In seinem Buch “Domestique”, das er mit Hilfe von Tom Southam schrieb, beschreibt er offen und ehrlich, welche intensiven physischen und psychischen Schmerzen er ertragen musste, um einer der respektiertesten Fahrer im Peloton zu werden. Verständlich daher vielleicht, dass er dem Radsport seinen Rücken kehren wollte.

Charly Wegelius wurde nach seiner Profikarriere unerwarteterweise Sportdirektor. Foto: Sirotti
Charly Wegelius wurde nach seiner Profikarriere unerwarteterweise Sportdirektor. Foto: Sirotti

Dass Wegelius sich dann aber im Teamauto von Cannondale-Drapac wiederfand, damit hatte er selbst wahrscheinlich am wenigsten gerechnet. Wegelius gibt zu, dass er das Jobangebot von Jonathan Vaughters annahm, um etwas Zeit zu schinden, bis er etwas anderes finden konnte. Er war nicht wenig überrascht, dass ihm seine neue Aufgabe im Team große Freude machte und ihm ebenso viel Befriedigung verschaffte, wie er als Profi erfahren konnte.

“Für mich ist dieser Job sehr erfüllend und auch sehr fordernd“,  so Charly Wegelius. „Ich fühle mich privilegiert. Viele schaffen es nicht, ihren Lebensunterhalt dauerhaft im professionellen Radsport zu verdienen. Ich hatte wirklich Glück, dass es sich für mich so ergeben hat. Für jemanden, der nie etwas anderes erfahren hat und nur im professionellen Radsport gearbeitet hat, ist es  wirklich ein großes Glück, weiterhin in diesem Umfeld tätig zu sein und seine Erfahrung einbringen zu können. Viele Leute bekommen diese Möglichkeit nicht.”

Wegelius gibt einen faszinierenden Einblick in das Leben eines Sportdirektors. Er besteht darauf, dass die allgemeine Wahrnehmung eines Sportdirektors, der hinter dem Lenker des Teamautos sitzt und seine Fahrer wie die Spielsteine auf dem Schachbrett manövriert, nicht richtig sei. Wenn es dazu kommt, ist es meistens schon zu spät. Erfahrene Fahrer benötigen keine so intensive Betreuung während des Rennens.

Charly Wegelius erarbeitete sich einen guten Ruf als zuverlässige Domestik. Sein heutiger Job als Sportdirektor ist ähnlich fordernd. Foto: Sirotti
Charly Wegelius erarbeitete sich einen guten Ruf als zuverlässige Domestik. Sein heutiger Job als Sportdirektor ist ähnlich fordernd. Foto: Sirotti

Der Sportdirektor hat einen viel größeren Einfluss auf die Fahrer, indem er ihnen hilft, ihr Leben außerhalb der Rennen zu managen, indem er jegliche Störung entfernt, die die Fahrer davon abhalten könnte, ihr Bestes zu geben wenn es darauf ankommt.

Wegelis gibt zu, dass er große Ideen über die neue Richtung hatte, die sein Leben einschlagen sollte, wenn er seine Rennradschuhe an den Nagel hängen würde. Aber es käme immer anders als man denkt. Er vergleicht es mit einem jungen Mann, der gerade mal so weit von zu Hause wegzieht, dass er immer noch die Vorzüge des Elternhauses genießen kann.

“Ich denke, es ist wie ein Teenager, der erwachsen wird und sagt, er brauche seine Eltern nicht mehr und der Teufel könne sie holen, aber er kommt jeden Sonntag zum Mittagessen und lässt sich seine Hemden bügeln. Genau das ist mir passiert.”

Wegelius lebt jetzt mit seiner Frau und zwei Söhnen in Finnland, wo er selber auf die Welt kam, und genießt die Zeit mit seiner jungen Familie.

Als Sportdirektor ist er genauso viel unterwegs wie damals als Profi, aber wenn er zu Hause ist, kann er seine Arbeit seinem Familienleben anpassen. Er vergleicht es mit dem “Papi im Büro”, der seine Kinder zwar jeden Tag zu sehen bekommt, aber dann auch nur für eine kurze Zeit, die ihm durch die tägliche Tretmühle des Arbeitslebens gelassen wird.

“Das viele Reisen ist sehr anstrengend”, gibt Wegelius zu. “Je älter meine Jungs werden, um so schwieriger wird es für meine Frau und mich. Aber ich hoffe sagen zu können, dass, wenn ich hier bin, ich 100 % bei meiner Familie bin.”

Der Coach und Botschafter – Matteo Carrara

“London ist eine großartige Stadt. Jeder will gewinnen. Ich bin auf jeden Fall noch im Rennen und genieße mein Leben.”

Matteo Carrara, Sieger der Tour de Luxembourg 2010, zog es in seinem neuen Leben als Coach und Markenbotschafter in eine der großen Weltstädte

Der Italiener, der zwölf Jahre auf höchstem Niveau Rennen fuhr, bevor er seine Karriere bei Vacansoleil-DCM 2012 beendete, ist in der Londoner Radsportgemeinde durch sein Coaching-Geschäft bekannt.

Nichts erinnert an seine letzte und sehr frustrierende Saison in der WorldTour: Carrera bemühte sich vergeblich, seine anfängliche Form zurück zu erlangen und wurde später für die Auswahl der größten Rennen in der späteren Saison nicht berücksichtigt, obwohl er nach einem Trainingslager in Kolumbien in einer sehr guten Verfassung war.

Trotz dieses Rückschritts machten Carraras unbeschmutzter Ruf und seine Fähigkeit, Punkte bei der WorldTour zu sammeln, ihn zu einem attraktiven Anwärter für die großen Teams. Sein Manager, der unter anderem auch Nairo Quintana und Rigoberto Uran vertrat, sicherte ihm zu, dass er zu 99 % bei Team Sky unterkommen würde.

Der Vertrag kam nicht zustande und Carrara entschloss sich nach 12 Jahren seine Karriere als Profi zu beenden. Sein Highlight blieb der Sieg über Lance Armstrong und Andy Schleck, als er die Tour de Luxembourg gewann.

Matteo Carrara beendete seine Profikarriere am Ende der 2012er-Saison. Foto: Sirotti
Matteo Carrara beendete seine Profikarriere am Ende der 2012er-Saison. Foto: Sirotti

“Ich bin mit den besten Teams der Welt gefahren und ich wollte meine Karriere beenden, so lange ich noch auf Toplevel fahre und nicht bei einem der kleineren Teams. Ich habe nie den Giro oder die Tour gewonnen, aber ich habe im Radsport immer noch einen guten Ruf.”

Carrara wurde ein Job als Talentscout angeboten. Aber schon bald wurde klar, dass sein Arbeitgeber es sich nicht leisten konnte, ihn zu bezahlen. Also setzte Carrara alles auf eine Karte und zog mit seiner Freundin nach London.

Sein eigentlicher Plan war, sechs Monate in London zu bleiben, als er im Februar 2013 ankam. Daraus wurde nichts: Er blieb und arbeitet und lebt seitdem in der Stadt, die er als “Hauptstadt des Radfahrens” beschreibt. Er fährt regelmäßig zurück nach Italien, aber er gibt zu, dass es nicht unbedingt hilfreich ist, ein Lokalheld zu sein, wenn man versucht, voran zu kommen.

“Die ersten sechs Monate in London waren sehr schwierig, aber wenn ich in Italien geblieben wäre, wäre es noch schwieriger gewesen”, gibt Carrara zu. “Ich lebe jetzt in einem anderen Land und sehe nicht jeden Tag die Leute von zu Hause. In meiner Heimatstadt kennt micht jeder und sie wollen mir ständig Fragen stellen.”

Carrara fand seinen Start in London bei Cadence, einem Fitnessstudio für Radfahrer. Das war sein Sprungbrett, von dem aus er sich ein großes Netzwerk aus enthusiastischen Amateurfahrern aufbauen konnte. Seine Erfahrung und Fähigkeiten, die er in den 12 Jahren als Profi angesammelt hatte, waren sehr gefragt.

Die Erfahrungen, die er als Profiradfahrer machen konnte, gibt Matteo Carrara heute als Coach an andere weiter. Foto: Sirotti
Die Erfahrungen, die er als Profiradfahrer machen konnte, gibt Matteo Carrara heute als Coach an andere weiter. Foto: Sirotti

“Du kannst Leuten das Radfahren beibringen, denn das Rad ist dein Leben”, sagt er. “Du weißt, wie du die beste Form erreichst: Die Ernährung, das Training, wie du auf dem Rad sitzt. Ich habe viel für mich gelernt in den zwölf Jahren, in denen ich als Profi gearbeitet habe.”

Er meint spaßeshalber, sein Leben als Erwachsener begann, als er dem Peloton den Rücken zudrehte:

“Du wirst ein erwachsener Mann, wenn du dein Leben in der echten Welt anfängst. Du verlässt die Schule und hast angefangen, zu arbeiten. Aber Radfahren ist kein richtiger Job.”

Das Leben eines professionellen Radfahrers ist sehr strukturiert. „Du wachst auf, frühstückst und trainierst. Nachmittags ruhst du dich aus. Du achtest sehr genau auf deine Ernährung. Dein Körper ist wie ein Ferrari“. Hinzu käme die ständige Sorge um die eigene Form, Fitness und Gesundheit.

Das Leben als ehemaliger Profi beginnt mit der Suche nach neuen Zielen, aber wenn man sich erstmal klar geworden ist, was man erreichen möchte, ist es nicht mehr weit, zu seinem Glück zu finden. Carrara erwähnt Bradley Wiggins und Miguel Indurain als Beispiele der sehr seltenen Fälle, in denen ein ehemaliger Profi es nicht nötig hat, eine andere Beschäftigung zu finden, wenn sie ihre Profikarriere beenden. Die meisten Ehemaligen müssen eine zweite Karriere und Existenz aufbauen.

Carrara hilft jetzt seinem zehnjährigen Sohn ein Leben als Profi aufzubauen. Der Junior fährt jeden Sonntag ein Rennen und ist fest entschlossen, ein Profi wie sein Vater zu werden. “Er liebt den Radsport. Ich möchte ihm helfen, ein Profi zu werden, aber wenn er kein Profi wird, bin ich auch glücklich, denn es ist ein hartes Brot.”

Der Sportkommentator und -moderator – Daniel Lloyd

Daniel Lloyd schaffte es, sich eine Karriere als Moderator im Radsport für das Onlineportal GCN und Eurosport aufzubauen.

Daniel Lloyd zeigt hier sein Talent vor der Kamera, dass ihm seit Ende seiner Profikarriere von großem Nutzen war. Foto: Marc, via Flickr Creative Commons
Daniel Lloyd zeigt hier sein Talent vor der Kamera, dass ihm seit Ende seiner Profikarriere von großem Nutzen war. Foto: Marc, via Flickr Creative Commons

Er gibt zu, dass es eine sehr fordernde Zeit war, nachdem es klar wurde, dass Slipstream Sport, damals unter dem Namen Garmin-Cervelo unterwegs, seinen Vertrag für die Saison 2012 nicht erneuern wüden. Lloyd war erst im Jahr zuvor ins Team gekommen, nachdem Garmin mit dem Cervelo Test Team zusammenkam.

“Garmin fiel auseinander, HTC gab auf und viele Fahrer befanden sich auf der Suche nach einem neuen Team”, erinnert er sich. “Ich war einer der weniger starken Fahrer und konnte in keinem der Teams unterkommen. Das war eine sehr entmutigende Zeit.”

Er gibt auch zu, dass ihm während seiner Zeit als Profi immer wieder nahe gelegt wurde, sich auf das Leben nach dem Radfahren vorzubereiten. Das Leben eines professionellen Radfahrers ist so gestrickt, dass der Fahrer seine ganze Konzentration benötigt, um im Hier und Heute zu bestehen. Da bleibt wenig Platz, sich Gedanken um seine Zukunft zu machen.

“Wenn die Konzentration nachlässt, wirst du nicht dein volles Potential ausschöpfen können”, so Lloyd. “Viele können nicht zu 100 % trainieren und Rennen fahren, wenn sie sich Gedanken über ihre Zukunft und das Leben nach dem Radsport machen müssen.”

Mit seinem Selbstbewusstsein vor der Kamera scheint er wie für den Job gemacht, aber er gibt zu, dass sein Anfang schwer war und er mit seinem Karrierewechsel Glück hatte.

“Ich hatte mit dem Moderieren ein paar Anfangsschwierigkeiten, aber glücklicherweise wurde gerade GCN Leben gerufen worden. Es gab keinerlei Erwartungshaltungen. Es gab kein großes Publikum und daher nicht viele Leute, die mir sagen würden, dass ich nicht sehr gut sei. In meinem Fall stimmt es, dass Űbung nicht unbedingt den Meister macht, aber besser macht sie auf jeden Fall!”

Lloyd is überzeugt, dass Topfahrer gut genug bezahlt werden, um für ihren Ruhestand vorsorgen zu können – vorausgesetzt, sie gehen sorgsam mit ihrem Geld um. Foto: Sirotti
Lloyd is überzeugt, dass Topfahrer gut genug bezahlt werden, um für ihren Ruhestand vorsorgen zu können – vorausgesetzt, sie gehen sorgsam mit ihrem Geld um. Foto: Sirotti

Die Karriereleiter eines professionellen Rennradfahrers ist alles andere als in Stein gemeißelt, auch wenn die Karriere in den olympischen Akademien begann. Und das setzt sich him Ruhestand fort. „Es gibt auch die Ehemaligen, die sich über ihren Beruf als Radprofi beschweren“, sagt Lloyd, „und voller Neid auf das alltägliche Arbeitsleben blicken“.

“Das Leben eines Profis ist sehr anders,” gibt er zu. “Wenn du mittendrin bist, spürst du, wie hart das Leben ist. Aber im Nachhinein denke ich nicht, dass es härter ist, als das Leben anderer Leute. Viele Profis sagen, sie hätten viel lieber einen normalen Job, aber ich glaube nicht, dass sie das ernst meinen. Und viele von ihnen hatten noch nie einen ’normalen‘ Job.”

Lloyd merkte schon sehr bald, wie strukturiert sein Leben als Profi gewesen war: Eine genauestens abgestimmte Abfolge an Trainingslagern und ein Rennprogramm, das die Klassier und Grand Tours beinhaltete, dominierten sein Leben am Höhepunkt seiner Karriere.

Der Ruhestand und der erfolgreicher Űbergang in eine zweite Karriere hat Lloyd aber nicht seine ehemaligen Kameraden im Peleton vergessen lassen. Er ermahnt diejenigen, zu denen er Kontakt hat, regelmäßig zu Bescheidenheit  und sich um ihre Ersparnisse zu kümmern.

“Wer im Radsport ganz oben steht, verdient heutzutage gutes Geld und wenn du aufpasst und wirtschaftest, kannst du deine Hypothek abbezahlt haben, wenn du dem professionellen Radsport deinen Rücken zudrehst. Das gibt dir ein bisschen mehr Zeit, dir in Ruhe eine Existenz aufzubauen, ohne den Stress zu haben, dass du dich sofort darum kümmern musst, Geld ranzuschaffen.”

Der CEO im Radsportbusiness – Michael Rogers

Michael Rogers, der dreifache Weltmeister im Zeitfahren, bekam sein Jobangebot als CEO für das Riis-Seier-Projekt einen Tag, nachdem seine 16-jährige Karriere als Profi zu einem abrupten Ende kam.

Michael Rogers nahm den direkten Weg vom Peloton in den Vorstand von Riis-Seier. Foto: Riis-Seier
Michael Rogers nahm den direkten Weg vom Peloton in den Vorstand von Riis-Seier. Foto: Riis-Seier

Der Australier, der als Schlüsselfigur für Bradley Wiggins Erfolg bei der Tour in 2012 galt, fuhr die letzten Kilometer seiner Karriere, die ihm drei Etappensiege bei den Grand Tours einbrachte, bei der Dubai Tour im Februar 2016.

Sein plötzlicher Rücktritt vom Profisport war die Folge einer andauernden Herzrhythmusstörung als Ergebnis eines Herzfehlers. Rogers war sich seiner Lage sehr bewusst. Schon seit seinem ersten Jahr als Profi wurde er darauf aufmerksam gemacht, aber die Veränderung seines Herzens war minimal, was ihm daher keinen Grund zur Sorge machte.

Rogers war sich bewusst, dass sich seine Verfassung rapide verschlechtern könnte, sobald er in seine Dreißiger kommen würde. Und dennoch absolvierte er ein hartes Trainingslager mit Team Tinkoff auf Gran Canaria ohne Zwischenfälle.

“Mein Herz funktionierte bestens”, sagt er. “Ich trug 24 Stunden am Tag einen Herzmonitior. Es gab keine Anzeichen irgendwelcher Gefahren, aber dann, während des Rennens in Dubai, entdeckten wir während einer Routineuntersuchung der Ergebnisse eigenartige Herzschläge von hoher Frequenz.

“Wenn man sich anstrengt, gibt es immer eine Verzögerung, bis die Herzfrequenz ansteigt. Die Leistung geht sofort hoch, aber die Herzfrequenz hinkt circa zehn Sekunden hinterher. In meinem Fall beobachteten wir jedoch, dass die Leistung anstieg und die Herzfrequenz sofort mitzog. Sobald die Power nachließ, stieg die Herzfrequenz etwa eine Minute weiter an, bevor sie wieder zurückging.”

Rogers lebt jetzt in der Schweiz und beschreibt einen Sommer, der nicht von der Tour de France geprägt war, sondern von ausgiebigen Wanderungen in den Bergen mit seiner jungen Familie. Er verfolgte die Tour de France im Fernsehen und auch die Vuelta, bei der er als Helfer für Contador eingeplant worden war.

Michael Rogers wurde durch gesundheitliche Gründe gezwungen, seine Karriere 2016 zu beenden. Zufällig hatte er davon unabhängig ohnehin beschlossen, seine Karriere in diesem Jarh zu beenden. Foto: Sirotti
Michael Rogers wurde durch gesundheitliche Gründe gezwungen, seine Karriere 2016 zu beenden. Zufällig hatte er davon unabhängig ohnehin beschlossen, seine Karriere in diesem Jarh zu beenden. Foto: Sirotti

Der Űbergang von einem aktiven Arbeitsleben in den Ruhestand kann für jeden schwierig sein, egal, welchen Beruf man ausübt. Aber für einen professionellen Sportler kann diese Veränderung noch einschneidender sein. “Radfahren ist nicht nur ein Job, es ist eine Lebenseinstellung.”, so Rogers.

“Man fährt morgen zwar kein Rennen, aber auch eine vierstündige Bergwanderung hat seine Kosten. Wenn du in in deinen 20ern bist, machst du dir um solche Dinge keine Gedanken. Du bist sehr fokussiert. Aber Mitte 30 fängt es an, dich zu belasten. Mich hat es jedenfalls belastet.“

“Du willst ein normales Leben führen. Deine Karriere im Radsport neigt sich dem Ende zu. Wenn du nicht mehr dazu bereit bist, im Regen und im Schneeregen zu fahren oder lieber mal feiern gehen möchtest, weißt du, dass es an der Zeit ist, aufzuhören.”

Der Posten beim Riis-Seier-Projekt liegt einen Schritt weiter von dem typischen Wechsel eines ehemaligen Profis in die Medien oder in eine Position bei Radsportteams, aber ist immer noch stark mit der Radsportwelt verankert. Das Ziel dieser Firma ist es, ein Profiteam zu gründen, das von Erlösen bezahlt wird, die durch den Verkauf von Fitness- und Trainingslösungen erzielt werden.

Lars Sier Christensen, Mitgründer und ehemaliger Teambesitzter von SaxoBank, rief ihn einen Tag nach seinem Karriereende an, erzählt Rogers.

Rogers steht der der Herausforderung realistisch entgegen ist gleichzeitig aber auch sehr ehrgeizig. “Uns ist bewusst, dass wir ein neues Team von Grund auf gründen und unterstüzen müssen. Und um das zu erreichen, müssen wir viele Fitnessräder verkaufen. Aber Flüsse enstehen auch aus einzelnen Regentropfen, nicht wahr?”

“Wir gründeten dieses Projekt, denn wir wissen, was es bedeutet, ein Team zu unterhalten und dass es seine schwierige Aufgabe ist”, erläutert Rogers. “Der Radsport hat sich aus verschiedenen Umständen selber ins Abseits befördert, denn er ist nur auf Sponsoren angewiesen. Fußball beispielsweise hat noch den Erlös von Eintrittskarten, Trikotverkäufen und Mitgliedschaften. Natürlich gibt es auch Sponsorengelder, aber die stellen nur einen Bruchteil des ganzen Budgets dar.”

Rogers denkt auch drüber nach, wieder die Schulbank zu drücken und Wirtschaft zu studieren, aber scheint schon ein sehr gutes Verständnis der Wirtschaft des Radsports zu haben. Und mit seiner Position als CEO als erster Anstellung seit dem Profi-Peloton hat er einen guten Start hingelegt.

Im Ruhestand, aber nicht zu Ruhe kommend

Erst wenn man es aus erster Hand erlebt, am besten aus der Sicht des Teamwagens, der direkt hinter dem Peloton oder den Ausreißern hinterher fährt, stellt man mit Erschrecken fest, wie unglaublich schnell und gefährlich die Arbeitsbedingungen eines Radsportlers sind. Adrenalin, Verletzungen und schiere Erschöpfung sind gleichermaßen vertreten und diejenigen, die diese Umwelt einfach nur überleben, verdienen unseren Respekt genauso wie diejenigen, die als Sieger gefeiert werden.

Die Anforderungen, die gestellt werden, sind brutal, aber das Leben im Peleton ist immer noch ein sehr seltenens Privileg für diejenigen die die Gelegenehit haben, es für einen begrenzten Zeitraum zu leben. Egal, wie charmant und liebenswert man fernab vom Rad rüberkommt: Was zählt sind die Leistungen, die auf dem Rad gebracht werden, die Watt, die getreten werden. Die Softskills, die in anderen Berufen hoch angesehen werden und zählen, haben in dieser Welt keinen Platz.

Nicht alle haben so viel Glück wie unsere Vorzeige-Exprofis. Die meisten Radprofis erreichen nie das Toplevel und verdienen nicht so viel wie die besten im Sport. Wir dürfen nicht vergessen, dass auch diejenigen, die in den World Tours mitstreiten, bezahlte Arbeit brauchen, wenn ihre Sportlerkarriere zu Ende geht.

“Ich denke oft an die Fahrer, die durch das System geschleust werden, verloren gehen und am Ende ausgespuckt werden, ohne einen echten Plan zu haben, wie es weitergehen soll”, sagt Lloyd. “Viele versinken in Depressionen, andere haben mehr Erfolg abseits vom Radsport, als sie jemals im Sport erreicht haben.”

Der Ruhestand gleicht für viele Profis einer Achterbahn, auch wenn es heute so scheint, dass es ihnen seltner besser ging. Ehemalige Fahrer sehen sich gezwungen, die Welt nach der Rennradkarriere alleine zu navigieren, genauso wie sie es während der Zeit im Sport gehalten haben.

In der Hinsicht muss der Radsport besser werden, doch mit einem Wirtschaftsmodell, das nur auf Sponsoren fußt und bei dem in Kürze keine Änderung in Sicht ist, sind die vielen Ex-Profis in ihrem zweiten Leben auf sich selber angewiesen.

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