Was bringt dir mehr Nutzen: HIIT oder traditionelles Kilometerschrubben?
Im Winter wird Kilometer um Kilometer abgespult und wer seine Ausdauer verbessern und aufbauen möchte, sollte es dem gleichtun. Aber mit neuen Erkenntnissen in der Trainingslehre gehen die Meinungen auseinander, wie man sich als Radsportler am besten auf seine Saison vorbereitet.
Die traditionelle Vorgehensweise vom Wintertraining schreibt Folgendes vor: Du fährst große Umfänge (d.h. Stunden) bei einer mäßigen Intensität. Die Anstrengung ist gerade mal so hoch, dass deinem Körper ausreichend Trainingsreize gesetzt werden, um die notwendige Anpassung zu provozieren.
Während dieser Trainingsphase geht es darum, eine solide Grundlage in seiner Ausdauer aufzubauen. Auf dieser Grundlage kannst du später intensivere Einheiten aufbauen, wenn es in die Vorbereitungsphase für deine geplanten Veranstaltungen geht. Diese Herangehensweise ähnelt im Prinzip einem Hausbau: Je stärker das Fundament, das aufgebaut wurde, um so höher kannst du darauf aufbauen und im Endeffekt mehr Leistung bringen.
Kilometer sammeln
Beim herkömmlichen Grundlagentraining geht es ums Kilometerfressen: Du verbringst viele Stunden im Sattel und spulst bei einer relative niedrigen Intensität Kilomter um Kilometer ab. So förderst du die aerobische Anpassung deines Körpers.
Diese Art von Grundlagentraining ist sehr zeitintensiv, was es vielen Hobbyradsportlern unter uns unmöglich macht, diesem Programm zu folgen, um die Form aufzubauen. Die die meisten unter uns haben, neben dem Radsport, noch familiäre und berufliche Verpflichtungen, denen wir nachgehen müssen.
Das bedeutet nicht, dass diejenigen, die nicht die Zeit investieren können, einem traditionellem Trainingsplan zu folgen, keine Verbesserung in ihrer Fitness und Leistung verbuchen können. Jeder Radfahrer ist anders: Jeder hat andere Schwerpunkte und Zeitfenster, die ihm zur Verfügung stehen. Dementsprechend sollte dein Trainingsplan zusammengestellt und angepasst werden. Dir stehen eine große Auswahl an Trainingsprinzipien und -modellen zur Verfügung, von denen du eine Strategie entwickeln kannst, die deine Bedürfnisse erfüllt und zu deinen Lebensumständen passt.
Die meisten unter uns können erhebliche Leistungssteigerung verbuchen, wenn sie ihr Training anders strukturieren und die Schwerpunkte im Training anders legen: Anstatt stur Kilometer um Kilometer abzuspulen, werden schon während der Aufbauphase intensivere Einheiten eingebaut. Dieser Ansatz zum herkömmlichen Grundlagentraining wirkt sich sehr positiv auf die allgemeine Leistung aus.
Kraftzellen des Körpers
Beim Ausdauertraining geht es darum, die Dichte der Mitochondrien zu vergrößern. Diese speziellen Zellorganellen sind die Kraftzellen deines Körpers: Die verdaute Nahrung wird im Blut aufgenommen, in die Zellen verteilt und dort oxidiert, um Speicherenergie zu produzieren. Diese Speicherenergie ermöglicht dir, Kraft und Leistung auf dem Rad zu bringen. Sowohl das traditionelle Ausdauertraining als auch die Herangehensweise, Ausdauer mit intensiven Spitzen zu kombinieren, provozieren einen Wachstum der Mitochondrien.
Wenn du durch dein Training einen Wachstum und eine größere Dichte dieser Zellen erreichst, wirst du nicht nur einen Leistungsanstieg in deiner aerobischen Leistung und Fitness feststellen. Deine allgemeine körperliche Leistung wird sich im Ganzen verbessern.
In den Mytochondrien befindet sich ein oxidatives Enzym. Dieses Enzym verarbeitet den Sauerstoff, der den Muskeln zugeführt wird. Der Sportswissenschaftler Karl Burgomaster belegte in einer Studie im Jahr 2008, dass ein HIIT (High Intensive Interval Training) Programm ähnliche Ergebnisse in der Vermehrung der oxidativen Enzyme erzielte, wie herkömmliches Ausdauertraining. Für uns Hobbyradler ist das eine gute Nachricht: Auch wer höchstens acht Stunden pro Woche zum Trainieren aufwenden kann, kann dennoch auf eine erfolgreiche Saison hoffen.
Das bedeutet nicht, dass die langen Einheiten bei geringer Intensität nichts bringen. Auch diese Trainingseinheiten werden deine Form und Fitness nachhaltig und langfristig verbessern. Die Ergebnisse dieser Studie zeigt, dass es verschiedene Ansätze gibt, das gleiche Ziel zu erreichen. Und jede Methode hat seine Vor- und Nachteile.
Wie ich schon angedeutet habe, musst du beim herkömmlichen Grundlagentraining viel Zeit aufbringen, um die notwendigen physiologischen Veränderungen zu bewirken. Diesen Zeitaufwand ist für die meisten von uns nicht zu verwirklichen, weil wir noch andere Verpflichtungen haben, die unsere Zeit in Anspruch nehmen. Mit dem HIIT-Training provozierst du auch noch andere physiologische Systeme in deinem Körper als durch reines Ausdauertraining.
Durch HIIT erhältst du nicht nur einen hohen Level an aerobischer Fitness sondern bewahrst dir auch deine VO2 Max und anaerobischen Leistung deiner Top-End-Fitness.
Wenn du monatelang an deiner Grundlage gefeilt hast, ohne dass du die volle Bandbreite der physiologischen Voraussetzungen ausgenutzt und provoziert hast, wirst du feststellen müssen, dass du 2-3 Wochen damit verbringen wirst, dich an die ungewohne Intensität zu gewöhnen bevor du überhaupt anfängst, deine Fitness in der Intensität auszubauen. Sporadische Spitzen intensiverer Einheiten während des Winters erhält dir nicht nur deine Grundlage – sie sorgen auch dafür, dass du körperlich schon angepasst bist, wenn dein Saisonziele für 2016 näher rücken und du an deiner Top-End-Fitness feilen möchtest.
Ausgebrannt
Einige machen sich Sorgen, dass sie sich durch das intensive Training im Winter zu früh zu viel zumuten und sich dadurch verheizen, bevor die Saison angefangen hat. Aber anders gesehen: Eine lange Ausfahrt bei kaltem, feuchten Winterwetter birgt auch viele Gefahren. Dein Körper wird physisch mehr gestresst, als bei 90 Minuten kontrolliertem Training.
Letztendlich musst du entscheiden, wieviel Zeit dir für dein Training zur Verfügung steht und wie du sie am besten nutzen kannst. Darauf kannst du dir ein Trainingsmodel aufbauen. Wenn dir höchstens acht Stunden zur Verfügung stehen und du diese Zeit meistens bei mäßiger Intensität verbringst, wirst du feststellen müssen, dass du nur langsam oder gar keine Fortschritte machst.
Aber auch das andere Extrem birgt Nachteile: Wenn dir viel Zeit zur Verfügung steht – vielleicht machst du eine Woche Rennradurlaub oder andere Verpflichtungen halten sich in Grenzen – und du fährst in der Zeit nur intensive Einheiten, fährst du dich in Grund und Boden. Du wirst müde, unausgeglichen, krank und die Qualität deines Trainings wird leiden.
Daher ist es sehr wichtig, dass du dir ein Trainingsprogramm auswählst, das zu deinen Lebensumständen, deiner dir verfügbaren Zeit und deinem Fitnessstand passt.
Egal für welches Model du dich letztendlich entscheidest, wenn du dein Training kontrollierst und es gleichmäßig aufbaust, um das Meiste aus der dir zur Verfügung stehenden Zeit zu machen, wirst du Fortschritte und Erfolge verzeichnen.
Wenn du dich für ein HIIT-Model entscheidest, solltest du die folgenden Punkte beachten:
Baue drei HIIT-Einheiten pro Woche ein. Im Idealfall an jedem zweiten Tag. Der Tag zwischen den Einheiten ist ein Ruhetag.
HIIT-Einheiten sind Intervalle an oder über deinem Schwellenwert der Intensität.
Jede Einheit sollte zwischen 45 – 90 Minuten dauern
Jede HIIT-Phase sollte in Trainingsblocks aufgeteilt werde, um die Belastung zu managen. Am Anfang fahre zwei Wochen HIIT-Einheiten, abgewechselt mit einer Woche bei mäßiger Intensität. Darauf kannst du aufbauen und drei Wochen HIIT mit einer oder zwei Erholungswochen bei mäßiger Intensität fahren.
Während der intensiven Trainingswochen solltest du dennoch mindestens eine aerobische Einheit einbauen. Die meisten Leute haben vier oder fünf Tage zur Verfügung: Bei drei intensiven Tagen nutzt du die restliche Zeit, die dir zur Verfügung steht, weniger intensive Einheiten zu fahren. Das fördert deine Erholung und gibt deinem Körper die Möglichekit, sich an die Belastung der vorangegangenen Einheit anzupassen. Dein Immunsystem kann sich erholen und du kannst dich geistig und körperlich ausruhen. HIIT-Einheiten sind hart und anstrengend – es ist daher sehr wichtig, sich an diese Erholungen zu halten. Gleichzeitig profitierst du von den Vorteilen des herkömmlichen Grundlagentrainings.
Am Anfang deiner HIIT-Einheiten, wie zum Beispiel während der Aufbauphase im Winter, ist dein Ziel, Anpassungen zu provozieren, die es dir ermöglichen, weitere Fortschritte aufzubauen, wenn deine Veranstaltungen näher rücken. In dieser Aufbauphase geht es dir nicht darum, deine Höchstleistung in deiner Fitness oder Kraft zu erreichen.
HIIT-Einheiten sollten sehr strukturiert sein und sich darauf konzentrieren, deine Leistungen in einem Bereich zu verbessern, in denen du Fortschritte verzeichnen möchtest.
Vor allem im Winter, wenn das Wetter eine Ausfahrt verhindert, finden es viele Radfahrer einfacher, die HIIT-Einheiten auf der Rolle zu absolvieren. Aber auch in der Aufbauphase im Frühling kann die Rolle von Vorteil sein, weil du deine Intensität besser kontrollieren kannst. Ich habe hier eine meiner Lieblingseinheit aufgeschrieben, die ich das ganze Jahr über fahre. Im Winter nutze ich sie als Aufbaueinheit, im Sommer, um meiner Fitness einen Auftrieb zu geben, wenn ein Rennen näher rückt.
High Intensity Interval Training (HIIT) – Beispiel
Warmfahren: zehn Minuten locker kurbeln
Intervall 1: zehn Minuten unter Schwellwert (80 % – 90 % deines FTP)
Erholung: fünf Minuten locker kurbeln
Intervall 2: zehn Minuten unter Schwellwert (80 % – 90 % deines FTP) – am Ende jeder Minute für die letzten zehn Sekunden eine Spitze fahren
Erholung: fünf Minuten locker kurbeln
Interval 3: 3 x 5 Minuten 30 Sekunden “on”, 30 Sekunden “off” (“on” entspricht ungefähr 90 % deines Maximums) – zwischen jeder Einheit eine Erholung von sieben Minuten locker kurbeln
Cool Down: 5 – 10 Minuten locker kurbeln
Lasse dich von deinen Kumpeln nicht verunsichern, nur weil sie vielleicht mehr Zeit zum Training zur Verfügung haben und du nicht die Zeit hast, stundenlang auf dem Rad zu sitzen. Sei spezifisch und zielorientiert in dem, was du erreichen willst und in dem, was du machst, und du wirst den Kilometerfressern in nichts nachstehen.
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